Wahlmaschinen verschrecken die Wähler

Ein Computerspezialist hat ausgerechnet, dass Hessen und Brandenburger ihre Stimmen ungern per Gerät abgeben

BERLIN taz ■ Der Einsatz von Wahlcomputern schreckt offenbar Wähler ab. Das ergibt eine nicht repräsentative Studie des Software-Spezialisten und Wahlgeräte-Kritikers Ulrich Wiesner. „Ich vermute, dass manche Menschen sich mit den Geräten einfach nicht wohlfühlen, sagte Wiesner der taz. Er klagt zurzeit gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht.

Wiesner hat sich nach der Kommunalwahl in Brandenburg an den heimischen Computer gesetzt und gerechnet. In zehn Städten und Gemeinden wurden Wahlcomputer eingesetzt. In neun von ihnen hat er die Wahlbeteiligung in der Gemeinde mit der des Wahlkreises verglichen. Cottbus als Nummer 10 ließ er aus, denn hier entspricht die Gemeinde genau dem Wahlkreis. Über 95.000 Stimmen wurden in den neun Gemeinden abgegeben – bei rund 234.000 Wahlberechtigten. Wiesners Ergebnis: Von neun Städten und Gemeinden, die Wahlcomputer einsetzten, zeigen sieben einen eindeutigen Trend. In ihnen lag die Entwicklung der Wahlbeteiligung unter dem Durchschnitt des Wahlkreises. Das heißt nicht unbedingt, dass die Wahlbeteiligung in der Gemeinde gesunken ist, in einigen Fällen ist sie auch nur weniger stark gestiegen.

„Darauf gekommen, den Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Wahlcomputern zu untersuchen, bin ich erst durch die Landtagswahl in Hessen“, sagt Wiesner. Damals mussten Wähler zum Teil bis zu 50 Minuten vor den Wahllokalen anstehen – es gab Probleme mit der Technik. „Ich habe mich gefragt, ob da nicht einige einfach umgekehrt sind.“ In Hessen ist das Ergebnis noch deutlicher als in Brandenburg: Hier entwickelte sich die Wahlbeteiligung sämtlicher Wahlcomputer-Gemeinden absolut unterdurchschnittlich.

Wiesner sieht daher durchaus eine Kausalität zwischen Wahlbeteiligung und -computern. Er verweist auf die Nutzung von Fahrkartenautomaten. „Viele Leute nehmen lieber Wartezeiten am Schalter in Kauf, als dem Automaten zu vertrauen.“

Das brandenburgische Innenministerium tut sich mit einer Erklärung schwerer. Sprecher Geert Piorkowski nennt als mögliche Begründung eine stärkere Bindung von Parteien und Wählern auf dem Land, was zu einer höheren Wahlbeteiligung führen könne als in städtisch geprägten Gebieten. Darauf hingewiesen, dass die Analyse sich nicht auf die absolute Wahlbeteiligung, sondern den Trend der Gemeinde mit Wahlcomputer im Vergleich zum Trend des gesamten Wahlkreises bezieht, verweist Piokowski auf die geringe Zahlenbasis. Die lasse keine „belastbaren Aussagen“ zu.

Auch Wiesner hofft, keine Statistiken mehr basteln zu müssen. Denn ab dem 28. Oktober verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005. Eine Entscheidung wird für Anfang nächsten Jahres erwartet. SVENJA BERGT