13.000 Euro Schulden pro Baby

Lasche Finanzämter und ausgabenfreudige Behörden: Der neue Bericht des Hamburger Rechnungshofes zeichnet das Bild einer Stadt, die über ihre Verhältnisse lebt und künftigen Generationen nichts als Schulden hinterlässt

von SVEN-MICHAEL VEIT

So weit hat sich schon lange kein Präsident eines Hamburger Rechnungshofes mehr aus der Deckung gewagt wie Jann Meyer-Abich. Bei der gestrigen Vorlage des Jahresberichts 2003, der erste für den erst seit vorigem Mai amtierenden Chefrechner, sparte Meyer-Abich nicht an deutlichen Worten zur Finanzlage Hamburgs. Die Stadt, befand er trocken, „lebt seit Jahren über ihre Verhältnisse“.

Seit zehn Jahren müsse Hamburg Schulden machen, um seine laufenden Ausgaben bezahlen zu können, und städtisches Vermögen verkaufen. Mehr als fünf Milliarden Euro Erlöse sind seitdem im Etat versickert, der Schuldenstand hat sich von 1990 auf 2002 auf mehr als 22 Milliarden Euro verdoppelt. „Jedes Neugeborene in dieser Stadt“, so Meyer-Abich, „bekommt einen Schuldschein über 13.000 Euro in die Wiege gelegt.“ Das könne nicht so weitergehen, meint Hamburgs oberster Buchhalter. Wohl kaum habe es schon mal eine Generation gegeben, „die bei andauerndem wirtschaftlichen Wohlstand in derartigem Umfang das Ererbte verzehrt und die – wenigen – eigenen Kinder belastet hat“.

Daran ändere auch die Finanzpolitik des Schwarz-Schill-Senats nicht wirklich etwas. Deren Ziel, den Betriebshaushalt 2004 auszugleichen und die Kreditaufnahme auf jährlich 600 Millionen Euro zu senken, sei „positiv“. Aber ziemlich unrealistisch. Denn das so genannte Konsolidierungsprogramm zur Einsparung von etwa 225 Millionen Euro jährlich sei „in der Umsetzung nicht gesichert“. Meyer-Abichs Fazit: „Auch in den nächsten beiden Jahren kann Hamburg seinen Haushalt nicht ausgleichen.“

Und dazu trage so manches bei, was der Rechnungshof bei seinen Prüfungen im vergangenen Jahr so zu monieren hatte. Mindestens 1.300.000 Euro würden im Stadtsäckel fehlen, weil Finanzämter fehlerhafte Steuerbescheide erließen. So sei eine Regelung gegen Umsatzsteuerbetrug in fast 40 Prozent der Fälle gar nicht oder fehlerhaft angewendet worden. Bei der Berechnung des Verlustausgleichs von Firmen seien sogar zwei von drei Bescheiden fehlerhaft gewesen – zu Lasten der Stadtkasse.

Auf der anderen Seite sei eine Fülle von unnötigen Ausgaben festzustellen, so das Ergebnis der betriebswirtschaftlichen Prüfung der Hansestadt. So habe die Bildungsbehörde die versprochene „haushaltsneutrale Finanzierung des Mehrbedarfs“ für die Verlässliche Halbtagsgrundschule noch immer nicht „vollständig nachgewiesen“. Der Landesbetrieb Krankenhäuser habe 7,7 Milliarden Euro verschenkt, die er von Leitenden Ärzten als Abgeltung für deren Nebentätigkeiten hätte verlangen müssen. Und im Landeskriminalamt stünde ein „sehr aufwendiges System zur Tatortvermessung“ ungenutzt herum, weil noch kein Mitarbeiter zu dessen Bedienung geschult worden sei.

Kaum ein gutes Haar lässt der Rechnungshof am neuen „Gebäudemanagement“ der Stadt, mit dem die laufenden Kosten für städtische Gebäude um bis zu 30 Prozent gesenkt werden sollten. In der Realität, so Meyer-Abich, sei die Sache teurer für die Stadt als vorher.

Und richtig dicke bekommt es die Justizbehörde ab. Das neue Haus der Gerichte, vorige Woche erst von Justizsenator Roger Kusch eingeweiht, ist ein Millionengrab, das ohne „ausreichende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ geplant wurde. Und unter Missachtung des Haushaltsrechts der Bürgerschaft wurde ein „für die Stadt wirtschaftlich nachteiliger“ Mietvertrag von der Behörde abgeschlossen: Allein die Mietkosten liegen, so der Rechnungshof, um jährlich 700.000 Euro höher als bei den vorherigen Büroflächen.