Knackpunkt Psychologin

Die Arbeiterwohlfahrt will die Beratungsstelle für pflegende Anhörige Ende März schließen – zu teuer. Sozialsenatorin Röpke hat gestern in der Bürgerschaft eine neue angekündigt. Bloß: Wer soll zahlen?

„Wir wissen nicht, was wir den Leuten sagen sollen, an wen sie sich wenden können“

taz ■ Klar brauchen wir eine Beratungsstelle für pflegende Angehörige in Bremen, verkündete gestern Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) in der Bürgerschaft. Nur müsse man über die Finanzierung nachdenken. Das Merkwürdige: Die Beratungsstelle gibt es bereits. Seit 14 Jahren ist sie da für Menschen, die sich mit der Pflege ihrer Angehörigen überfordert fühlen (die taz berichtete). Niemand zweifelt an der Wichtigkeit der Arbeit oder der Qualifikation der Mitarbeiterinnen. Im Gegenteil.

Dennoch gibt der bisherige Träger Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Beratungsstelle zum 31. März auf. Was danach kommen soll, ist derzeit völlig unklar. Der AWO ist sie zu teuer, auch die anderen Bremer Wohlfahrtsverbände sind nicht bereit, das auszugleichen, was ihrer Ansicht nach zu wenig von Staatsseite an Mitteln fließt.

Die Räume am Dobben seien bereits gekündigt, sagt Beratungsstellen-Leiterin Edith Lindner. Und: „Wir wissen nicht, was wir den Leuten sagen sollen, an wen sie sich ab April wenden können.“ Lindner rechnet nicht mehr damit, dass sie in der von der Senatorin angekündigten neuen Beratungsstelle noch arbeiten wird. Dabei ist sie eine ausgewiesene Expertin, seit 13 Jahren dabei. Der Grund für Lindners Eindruck: In die Gespräche zwischen den verschiedenen Bremer Wohlfahrtsverbänden und deren Dachverband, der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (LAG), sei sie gar nicht mehr mit einbezogen worden.

Und gesprochen wird derzeit offensichtlich viel. Die Wohlfahrtsverbände wollen eine gemeinsame Lösung finden. Nur festlegen, wie es weitergehen soll, mag sich niemand. Angeblich sollte die LAG bereit sein, die Beratungsstelle zu übernehmen. Nur: Als deren Geschäftsführerin Sylvia Gerking davon am Montag erfuhr, fiel sie aus allen Wolken. Zwar sei sie auch der Meinung, dass pflegende Angehörige einen Ansprechpartner bei Problemen brauchen, aber: „Die LAG ist nicht in der Lage, das zu finanzieren.“

Außerdem sei noch nicht klar, ob es weiterhin eine zentrale Stelle geben soll. Die großen Wohlfahrtsverbände favorisieren ein dezentrales Modell, bestätigt auch Wolfgang Lutz vom Paritätischen: „Der Vorteil ist, dass die Angehörigen direkt vor Ort Hilfe suchen können und nicht mehr wie jetzt ins Viertel fahren müssen.“ Dafür böten sich die von Caritas, AWO, DRK und dem Paritätischen unterhaltenen Dienstleistungszentren an. Dort sei eine soziale Beratung möglich, sagt Lutz, aber keine psychologisch-therapeutische wie bisher.

Und hier scheint auch der Knackpunkt zu liegen, warum die bisherige Beratungsstelle abgewickelt werden soll. Eine erfahrene Psychologin wie Edith Lindner ist einfach zu teuer. Nach der neuesten Überlegung sollen an den Dienstleistungszentren Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige eingerichtet werden. Nur im Bedarfsfall könnte dann eine Psychologin hinzugezogen werden. Wem das keine Hilfe ist, der müsste sich im Falle des Falles selbst um psychologische Betreuung kümmern – und gegebenenfalls selbst zahlen.

Einem anderen Gerücht zufolge will sich die Unabhängige Patientenberatung das Projekt einverleiben. Adele Ihnen, dort zuständig für den Bereich Pflege, weist das von sich. „Wenn es die Beratungsstelle ab März nicht mehr gibt, wird eine Lücke entstehen, die wir mit unserem Angebot nicht schließen können.“ Bislang hätten sie immer an die Beratungsstelle weiterverwiesen. Eiken Bruhn