Boliviens Kabinett zurückgetreten

Nach den Straßenschlachten mit 30 Toten legen alle Minister ihre Ämter nieder

BUENOS AIRES taz ■ Alle 18 Minister des Kabinetts von Präsident Sánchez de Lozada haben am Dienstag in Bolivien ihren Rücktritt erklärt. Damit wollen sie dem Präsidenten nur sechs Monate nach seiner Amtsübernahme bei der Neuorganisation der Regierung freie Hand lassen, wie Außenminister Carlos Saavedra erklärte. Schon seit einiger Zeit war die Stimmung unter den Kabinettsmitgliedern gereizt, zuletzt musste sich Lozada selbst aus den Reihen seiner Minister Kritik an seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik anhören.

Vergangene Woche hatten tausende von Bolivianern im ganzen Land gegen den orthodoxen Sparkurs von Lozada demonstriert. Bei Straßenschlachten zwischen dem Militär und der Polizei kamen über 30 Menschen ums Leben, hunderte wurden verletzt, und in der Andenstadt La Paz brannten mehrere Häuser aus. Auslöser des Aufstands war Lozadas Plan, die Einkommensteuern mehr als zu verdoppeln. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte zuvor zu mehr Haushaltsdisziplin gedrängt und Schockrezepte gefordert, um das Defizit der öffentlichen Kassen im Zaum zu halten – und Lozada leistete dem Folge.

Doch eine breite Front von Gewerkschaften, Unternehmerverbänden und Campesino-Organisationen lief Sturm gegen Lozadas Vorschläge. Zwar ist nach tagelangen Straßenschlachten wieder Ruhe eingekehrt in Bolivien, aber die Situation ist nach wie vor angespannt. Mit einem 48-stündigen Generalstreik will ein Bündnis aus linken Parteien und Gewerkschaftern den Rücktritt des Präsidenten erzwingen und hat ihm dafür eine Frist von 14 Tagen gesetzt.

Derart bedrängt ging Lozada am Dienstag in die Offensive. Er kündigte ein neues Sparprogramm und eine Verringerung der Ministerienzahl von 18 auf 13 an und verzichtete auf sein eigenes Gehalt. Allerdings wurden die Vorschläge in Bolivien eher verhalten aufgenommen.

INGO MALCHER