Schilys Mission

In Zeiten der Spannungen mit den USA will der Bundesinnenminister für eine enge Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung stehen

BERLIN taz ■ Mit den USA sollen sich andere streiten. Otto Schily hat sich auch im Fall Motassadeq an seine Linie gehalten. Vom deutschen Innenminister war noch nie ein böses Wort über die Kollegen in Washington zu hören. So kompliziert die Verhandlungen manchmal sein mögen, zumindest nach außen hin tut Schily so, als liefe alles reibungslos. Nach seinem USA-Besuch vor zwei Wochen sagte Schily, die Gespräche mit Justizminister John Ashcroft seien „außergewöhnlich freundschaftlich“ gewesen.

Hinter Schilys netten Worten steckt Kalkül. Er ist der Schadensbegrenzer. In einer Zeit, in der sich Deutschland und die USA so lautstark über einen Irakkrieg zanken, soll kein Zweifel aufkommen, dass wenigstens die Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung klappt. Im angespannten Verhältnis zu den USA hat Schily die Rolle des deutschen Nice Guy übernommen. Und er spielt sie perfekt.

Schilys Mission geht so weit, dass er den erzkonservativen Abtreibungsgegner und Waffenlobbyisten Ashcroft als „Freund“ bezeichnet. Dass er damit bei der rot-grünen Klientel für Irritationen sorgt, dürfte ihn kaum stören. Im Gegenteil: Schily war immer stolz darauf, nicht jedem Trend zu folgen. Schily steht für die Solidarität mit Ashcroft. Aus seiner Sicht ist er nur einem treu geblieben: sich selbst.

Seit dem 11. September achtete er darauf, dass sein guter Draht zu Ashcroft nie abriss. Schon kurz nach der Bundestagswahl war Schily einer der Ersten, die zur Goodwilltour nach Washington flogen. Als der mutmaßliche Terrorist Ramzi Binalshibh in Pakistan verhaftet wurde, erklärte er den Verzicht auf eine Auslieferung an Deutschland als „Gebot der Fairness und der Solidarität“.

Im Bundesjustizministerium betont man, über Auslieferungen werde „in Abstimmung zwischen den Ministerien“ entschieden. Aber ist es Zufall, dass es bisher meistens Schily war, der pro-amerikanische Entscheidungen nach außen vertrat? Justizministertin Brigitte Zypries dürfte jedenfalls froh sein, dass die „Gefahrenabwehr originär Sache des Innenministeriums“ ist, wie ihr Sprecher unterstreicht. Denn Nice Guy gegenüber den USA bedeutet Bad Guy in Deutschland – wer sollte diese Rolle spielen, wenn nicht Schily?

LUKAS WALLRAFF