im solitären block. ein kleiner friedensnachtrag von WIGLAF DROSTE
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Die Demo ist aus, wir gehn nach Haus, nun kann der Krieg beginnen. Es ist zum Davonlaufen. Bloß wohin? Mitglieder und Sympathisanten einer deutschen Bundesregierung, die mit der „Nie wieder Auschwitz!“-Lüge eine Beteiligung am Angriffskrieg gegen Jugoslawien begründete, demonstrieren für den Frieden. Da mitlaufen soll gut sein? Mögen die 14-Jährigen jeden Alters sich daran erfreuen.

Das wirklich Furchtbare an friedensklappernden Gesellen wie Konstantin Wecker und Reinhard Mey ist nicht ihr bisschen simple Gesinnung, sondern ihr Kunsthandwerk. Sängen sie nicht, dann gönge es ja, dann ertrüge man es, irgendwie. Aber kaum hebt das Gejaule an, hört das Gefühl maximaler Beklommenheit nicht mehr auf, all jene zu durchrieseln, die sich trotz täglicher medialer Vollbedienung den Luxus offener Augen und Ohren nicht vom Verstande absparen wollen.

Ich tauge nicht zum Mitlatscher, für nichts und gegen nichts. Ich bin ein solitärer Block. Das klingt für die Öffentlichkeit zunächst uninteressant, hat aber einen für sie entscheidenden Vorzug: Ich muss mich nicht mit mir auf eine Kompromissformulierung einigen, die das Gute in die Welt hineinzwingen will, indem sie die Sprache mit Füßen tritt. Dafür gibt es Gewerkschaftsführer, die so reden, wie sie heißen: Bsirske.

Der am Ende entscheidende Grund, einer Samstagnachmittagsdemonstration fernzubleiben, ist ein privatreligiöser: Niemanden dort könnte ich fragen, wie es um meinen Fußballclub steht, niemand hätte Verständnis dafür, dass die Liebe unbedingte Priorität hat, Krieg hin oder Frieden her. Früge ich einen Friedensfitti, wie es gerade stünde in und um Dortmund, ich bekäme keine Antwort.

Zum Politikchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Thomas Schmid ist nachzutragen: Über ein Plakat mit der Aufschrift „USA Global Terrorist“ auf dem Sicherheitsforum in München ereifert er sich am 16. 2.: „Das Elende daran ist, dass dies nicht von Hitler wegführt, sondern zu ihm zurückführt.“ Wie alle, die nicht weiterwissen, kommt er mit Hitler angeschissen. Vorsichtshalber, kann nicht schaden, man weiß ja nie, einfach mal Hitler sagen, wird schon noch einen geben, bei dem das zieht. Erstaunlich, wie lange die Nummer sich hält – solange Guido Knopp als Historiker gilt, wahrscheinlich.

Linke haben keinen Stil, Rechte haben keinen Verstand. Und dann gibt es Linke und Rechte, die haben weder noch. Schade eigentlich, dass man nicht mehr nach drüben gehen kann – einerseits. Denn andererseits hat Drüben den westlichen Friedensgrusel der Achtzigerjahre gesteuert und bezahlt. Tja – es gibt wohl nichts, keinen Ort, keinen Weg, nur den solitären Block und ein paar befreundete solitäre Blöcke.

Am großen Friedenssamstag gewann Borussia Dortmund 4:1 gegen den VFL Bochum. So gesehen war dieser Tag nicht völlig vergeigt. Nach dem 1:2 des BVB bei Real Madrid vier Tage später sieht mein persönlicher Weltfrieden aber schon wieder ziemlich gefährdet aus.