Politische Morde trotz Gewaltverzichts

Vier Mitglieder der Opposition gegen Präsident Chávez in Venezuala getötet. Chef des Arbeitgeberverbandes verhaftet

BUENOS AIRES taz ■ Nur wenige Stunden nachdem die Regierung und die Opposition in Venezuela am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung verdammten, wurde bekannt, dass drei oppositionelle Soldaten und eine Frau nahe der Hauptstadt Caracas tot aufgefunden wurden. Die vier Leichen waren nach Medienberichten noch an den Händen gefesselt und seien vor ihrer Ermordung misshandelt worden. Ein 14-jähriges Mädchen, das Zeugin mindestens eines der Morde sein soll, wurde mit Schussverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert.

Alle vier Opfer zählten zur venezolanischen Opposition und hatten regelmäßig auf der Plaza Altamira in Caracas demonstriert, wo seit über 120 Tagen Chávez-Gegner in einem täglichen Ritual den Rücktritt des Präsidenten fordern. Auch nach dem Ende des zweimonatigen Generalstreiks gegen Chávez ist die Plaza Altamira noch immer das Zentrum des Widerstands. Die drei ermordeten Soldaten zählten zum Kreis der rund hundert aufständischen Militärs, die Chávez ihre Gefolgschaft verweigert hatten und öffentlich als Regierungsgegner in Uniform auftreten und demonstrieren.

Die vier Ermordeten waren seit vergangener Woche verschwunden, ihre Leichen seien bereits am Sonntag gefunden worden, konnten aber zunächst nicht identifiziert werden. Trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Opposition und der Regierung ist es in Venezuela bislang noch nicht zu gezielten politischen Morden gekommen. Bis jetzt hat die Polizei im Fall der vier ermordeten Oppositionellen noch keine Spur.

Die aufständischen Militärs werteten die Morde sofort als Signal an ihre Bewegung. Ihr Anführer, General Néstor González, geht sogar noch etwas weiter: „Das ist ein klares Zeichen nicht nur an die aufständischen Militärs, sondern auch an alle, die in den Kasernen sich in irgendeiner Weise oppositionell betätigen. Mit diesem politischen Verbrechen wollen sie uns sagen: Schaut euch an, was mit den Dissidenten passiert, heute sie, morgen ihr.“

Unterdessen wurde gestern einer der beiden Anführer des wochenlangen Generalstreiks festgenommen. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Fedecámaras, Carlos Fernández, sei von der politischen Polizei Disip abgeführt worden, meldeten venezolanische Fernsehsender unter Berufung auf Augenzeugen. Bei der Festnahme seien Schüsse gefallen, verletzt worden sei jedoch niemand. INGO MALCHER