Liebesgrüße aus Taiwan

„Drifting Flowers“ von Zero Chou ist ein gleichgeschlechtlicher Episodenfilm

Eine der Heldinnen von „Drifting Flowers“ geht durch eine Straße in Taipei, die mit Postern vom letzten Film der Regisseurin Zero Chou vollgeklebt ist. Doch damit nicht genug: die Kamera fährt langsam auf die Plakate zu und man erkennt in den oberen Ecken das Emblem der 47. Berlinale, auf der jener „Spider Lillies“ im letzten Jahr den schwul/lesbischen Filmpreis „Teddy“ gewonnen hatte. Die Filmemacherin ist offensichtlich stolz auf ihren Erfolg, der nicht nur auf der Runde durch die internationalen schwul-lesbischen Filmfeste gut ankam, sondern auch in Taiwan selber einen „ordentlichen“ Profit einfuhr – so der Kritiker David Frazier, der „Spider Lillies“ zudem im „International Film Guide“ auf seine Liste der fünf besten taiwanesischen Filme des letzten Jahres setzte.

Nach solch einem populären Film trauen sich FilmemacherInnen oft an sperrigere Projekte heran – wohl auch, weil sie damit verhindern wollen, in eine stilistische Schublade gesteckt zu werden. Nun ist dies allerdings bei Zero Chou kaum zu vermeiden, denn sie macht kompromisslos Filme für ein lesbisches Zielpublikum. So ist „Drifting Flowers“ zwar, wie zu erwarten, ambitionierter und professioneller produziert als sein Vorgänger, aber es gibt darin so gut wie keine heterosexuellen Männer. Ein an Aids erkrankter Schwuler ist letztlich der einzige Mann, der mehr als einen Satz sagen darf. Der Film spielt also in einer homoerotischen Parallelwelt, die nur geografisch mit Taiwan identisch ist. Wie wenig sich Zero Chou um einen plausiblen Realismus schert, wird auch dadurch deutlich, dass die drei Episoden des Films über eine Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten von den gleichen Charakteren als jungen, reifen und dann alten Frauen erzählt, die aber alle im gleichen Taiwan von heute zu leben scheinen.

Man kann die Frauen dieses Films schnell als wandelnde Klischees abtun: So handelt die erste Episode etwa von einer blinden Sängerin, die zusammen mit ihrer kleinen Schwester May in einem Haushalt ohne Männer lebt. Doch dann verliebt sie sich die Akkordeonspielerin Diego, die wie eine chinesische Inkarnation von K. D. Lang aussieht. Dadurch zerbricht die Klein-Mädchen-Idylle. In einer anderen Episode wird von der Jugend Diegos erzählt, der ihr weiblicher Körper mit seinen Rundungen fremd ist, und die durch die Bekanntschaft mit dem lesbischen Mädchen Lily lernt, ihren eigenen Weg zu gehen. Diese Lily ist in der dritten Geschichte schließlich eine an Alzheimer erkrankte Frau, die in jenem Schwulen, den sie einst heiratete, um den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen, und der inzwischen an Aids erkrankt ist, die von ihr geliebte Frau wiederzuerkennen glaubt.

All das wirkt nicht nur in der Zusammenfassung arg konstruiert, und das Drehbuch ist dann auch die große Schwäche des Films. Doch nachdem man sich darüber eine Zeit lang geärgert hat, kann man sich beruhigt in die Stimmungen des Films fallen lassen. Denn Zero Chou ist eindeutig eine bessere Regisseurin als Autorin, und während ihre Dramaturgie oft eher unbeholfen wirkt (all diese Züge, die hochsymbolisch in Tunnel fahren!), funktionieren die einzelnen Szenen für sich dann doch überraschend gut. Von der achtjährigen Pai Chih-Ying bis zur Veteranin des taiwanesischen Kinos Lu Yi-ching spielen die Darstellerinnen sehr intensiv und glaubwürdig, und Zero Chou feiert diese Frauen mit atmosphärisch dichten Bildern. So ist dies eher ein poetisches als ein erzählerisches Werk, in dem, wie der Titel verspricht, vorbeitreibende Blumen besungen werden.WILFRIED HIPPEN