Rote sehen schwarz

Mit einem Debakel für die Regierungspartei SPD bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein begann das Jahr so richtig schlecht. Viel besser wurde es nicht mehr

hamburg taz ■ Der erste sozialdemokratische Scherbenhaufen in diesem Jahr türmte sich in Schleswig-Holstein auf. Die bis dato stärkste Partei im Land zwischen den Meeren sackte auf bittere 29,3 Prozent ab und verlor sogar – erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik – die Macht in der Landeshauptstadt Kiel. Und doch sollte dies nur ein Vorgeschmack sein auf die Debakel kurz darauf in Hessen und Niedersachsen.

Mit vollkommen unerwarteten 50,8 Prozent erreichte die CDU rechnerisch die absolute Mehrheit – und fühlte sich fast wieder wie zu Zeiten ihres langjährigen Landesvaters Gerhard Stoltenbergs. Wichtiger als diese Marke ist jedoch der flächendeckende Sieg der Union in fast allen Kreisen und kreisfreien Städten. Und dass es Angelika Volquartz gelang, Oberbürgermeisterin im traditionell roten Kiel zu werden, bekam doppelten Symbolwert. Denn in der Ratsversammlung wurde auch gleich noch ein schwarz-grünes Bündnis geschlossen – und die SPD in die für sie völlig neue Oppositionsecke gestellt.

Büßen für die Klatsche an der Urne musste sogleich Parteichef Franz Thönnes. Der Bundestagsabgeordnete wurde zwei Monate später von den unzufriedenen Kreisvorsitzenden weggeputscht. An seiner Stelle muss nun Urgestein Claus Möller, der sich nach über einem Jahrzehnt als Minister zur Ruhe hatte setzen wollen, der Partei neues Leben einhauchen. Zusammen mit Ministerpräsidentin Heide Simonis, die als rotes Zugpferd weiterhin unumstritten ist.

Auf die rot-grüne Landeskoalition hat dies zunächst allerdings keine Auswirkungen; SPD und Grüne wollen auch nach der nächsten Landtagswahl im Februar 2005 ihr Bündnis erneuern. Sofern es dazu noch reicht, denn nach dann 15 Regierungsjahren droht den Sozialdemokraten auch ganz hoch im Norden die Abwahl. sven-michael veit