Einweganteil dramatisch gefallen

Dosenpfand treibt Mehrwegquote in die Höhe. Bier beispielsweise nur noch zu zehn Prozent in Dosen. Rücknahmesystem steht vor Problemen. Milch verpfändet? Bei Deutscher Bahn gibt es ab heute Cola und Bier nur noch in Mehrwegflaschen

von HANNA GERSMANN

Das Sixpack Bier wird nicht sterben – trotz Dosenpfand. Wer an Tankstelle oder Kiosk schnell für Pils-Nachschub sorgen will, wird im praktischen Sechserträger aber eher die Mehrweg- statt wie bisher die Einwegflasche finden: „Nur noch knappe 10 Prozent des Biers werden in Dosen oder Einweg verkauft“, zog Roland Demleitner, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständischer Privatbrauereien gestern die erste Bilanz nach sieben Wochen Pfand auf Dosen und Einwegflaschen.

Der Mehrweg boomt. So zumindest die Zahlen, die die Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung aus Nürnberg ermittelt hat. Sie befragte im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) 12.000 Haushalte. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch zeigte sich gestern begeistert, sprach vom „zweiten Frühling der Mehrwegflasche“. Denn: „Im Schnitt wurde jede zweite Dose oder Einwegflasche im Januar gegenüber Dezember durch eine Mehrwegflasche ersetzt.“ Bei Cola und Limo etwa stieg der Anteil von gut 50 auf mehr als 75 Prozent, bei Wasser von 65 auf knapp 80 Prozent.

Während große Brauereien, die wie etwa Holsten ihr Bier zu beachtlichenTeilen in Dosen verkaufen, klagen und Kurzarbeit einführen, freuen sich die kleineren. Aber auch der Getränkefachhandel: Günther Guder, Vorstand der Bundesverbandes des deutschen Getränkefachgroßhandels, berichtet von „annähernd zweistelligen Absatzzuwächsen“, die „die Arbeitsplätze sichern“.

Und er erwartet einen weiteren Schub. Denn trotz aller Erfolgsmeldungen wurde die gesetzlich vorgeschriebene Mehrwegquote von 72 Prozent bisher nicht erreicht, sondern um 10 Prozent unterschritten. Das hänge vor allem damit zusammen, dass sich bei den unbepfandeten Getränken die „Talfahrt der Mehrwegquote“ fortsetze. So liegt der Mehrweganteil bei Saft und Wein weit unter 20 Prozent. „Wir warten sehnsüchtig darauf, dass der 1. Oktober kommt,“ sagte Resch gestern.

Dann sollen – so hatten sich Bund und Länder am Wochenende verständigt – alle Getränke in Einwegverpackungen bepfandet werden. Pfandfrei bleiben lediglich „ökologisch vorteilhafte“ Getränkekartons, die so genannten Tetrapaks, und Milch-Schlauchbeutel. Andere Milchbehälter kosten Pfand. Das heißt beispielsweise, dass Kinder demnächst 25 Cent mehr mit in die Schule nehmen müssen, wollen sie sich in der Pause eine Flasche Kakao kaufen. Auch für die Buttermilch im Plastikbecher wird künftig Pfand fällig. Joghurt und Kefir gelten wegen ihrer dickeren Konsistenz nicht als Getränke. Rund 800 Millionen Milchverpackungen müssten dann zurückgenommen werden, rechnete die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) diese Woche vor. Die Neuerung sorgt vor allem deshalb für Wirbel, weil die Rücknahme der Kunststoffbecher und -flaschen in dem geplanten bundesweiten Pfandsystem bisher nicht vorgesehen war.

Und als reichte nicht schon ein Problem, hat das Bundeskartellamt starke wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen das von Handel und Industrie vorgeschlagene System angemeldet. Der Grund: Das Duale System Deutschland (DSD), das bereits monopolartig den Grünen Punkt verwaltet, soll eine Clearingstelle aufbauen für den finanziellen Ausgleich zwischen Händlern, die mehr Dosen verkaufen, als sie zurücknehmen.

Da haben es die einfacher, die komplett auf Mehrweg umsteigen – wie die Deutsche Bahn AG. Ab heute soll es in Zügen und an den Automaten auf Bahnhöfen kein Bier, keine Cola oder Limo mehr aus Dosen oder Einwegflaschen geben.