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: Beste Bücher, Ausreden, Getränke und Krankheiten: Mein persönlicher Jahresrückblick 2003

Möchte wirklich mal wissen, was alle immer gegen diese persönlichen Jahresrückblicke haben. Wie soll man sich denn sonst merken, was einem im Jahr passiert ist, ohne regelmäßig Tagebuch zu schreiben? Wenn JournalistInnen nicht im Archiv schnüffeln könnten, hätten sie Möllemanns Fallschirm und die drei Filme zu Ehren Katherine Hepburns doch auch im Dezember schon längst vergessen und würden ihre globalen Jahresendlisten anhand ihrer fliegenkopfgroßen schwammartigen Short-Time-Memory-Speicher basteln. „Erdbeben, Saddam, Lkw-Maut“, stände dann da drauf.

Aber meine Freunde jammern jedes Mal, wenn ich mit meinen selbst gemalten „Das-war-2003-Polls“ ankomme. „Ich hab keine Filme gesehen dieses Jahr!“ oder: „Wieso schlechtestes Buch? So was lese ich doch gar nicht“ wird gezickt, und vor allem das zweite Argument zieht, wie ich finde, überhaupt nicht: Gerade an schlechten Büchern gibt es eine Menge, die man nicht lesen muss, um zu wissen, was eine Harke ist. „Der kleine Feldbusch“ zum Beispiel. Habe ich nicht gelesen, könnte ich trotzdem mit Fug und Recht unter „Schlechtestes Buch 2003“ eintragen, wenn der Platz nicht bereits vergeben wäre.

Bei „Beste Ausrede“ fällt mir immer die Geschichte des dreikäsehohen Sohnes einer Freundin ein, der mit drei noch in irgendwelche Windeln machte (das ist wohl ziemlich lange) und dann behauptete, er sei es nicht gewesen. Doch es gibt auch andere schöne Ausreden: Sommerzeit/Winterzeit – die kann man allerdings nicht ewig bringen, Ersatzverkehr ebenfalls nicht. Der Freund einer anderen Freundin entschuldigt seine Vergesslichkeit beim Einkaufen immer damit, den gewünschten Artikel (Milch, Basilikum, Slipeinlagen) habe es nicht gegeben bei Kaiser’s. Aber das hat sie zwischenzeitlich durchschaut.

In der Kategorie „Bestes Getränk“ lasse ich seit einigen Jahren auch Standard-Favoriten gelten, Hefeweizen etwa. Man muss sich in unserem Alter nicht jedes Jahr mit einem neuen Cocktail dumm und dämlich trinken. Ich habe zum Beispiel auf meine eigene Liste vor ein paar Tagen „Tee“ geschrieben. Das war vielleicht ein Hallo! Und bei „Bester Sex“ darf man selbstverständlich auch Situationen nehmen, die man vielleicht gar nicht selbst erlebt, sondern nur gesehen hat. Also im Film oder Traum beispielsweise. Nur wenn einem dazu gar nichts einfällt, wird es, eventuell, ein wenig traurig.

Richtig neugierig wäre ich übrigens auf die persönlichen Jahresrückblicke von absurden Prominenten wie Jessye Norman oder Pavarotti oder Christian Wulff. Vor allem in Kategorien wie „Leibspeise 2003“ oder „Größter Fehler“: „Habe vor dem Konzert in der Scala 48 Rippchen zu viel gegessen.“ – „Mein größter Fehler war, die silberdurchwirkten Riemchenflipflops zum roten Samtkleid zu tragen, ich sehe damit aus wie ein Brummer auf Rollen.“ – „Ich habe keine Fehler gemacht! Sonst hätte ich nicht so eine tolle Mehrheit bekommen!“ Dieser blöde Blender.

In der Sparte „Beste Krankheit“ habe ich dieses Jahr allerdings den Vogel abgeschossen: Mein in die USA umgezogener Freund behauptete nämlich kürzlich, die Amis würden eine psychische Störung kennen, bei der die/der Betroffene Angst bekäme, sich in ein Huhn zu verwandeln. Zu den Stichworten „human psychic disorder transform chicken“ habe ich zwar bis jetzt noch nichts Befriedigendes googeln können, aber ich bleibe dran.

Das war auf jeden Fall meine Lieblingskrankheit 2003, und ich werde mit allen Mitteln versuchen, zumindest mal einen kleinen Anfall zu bekommen. Nächstes Jahr werde ich dann Bericht erstatten. Wenn ich bis dahin nicht in eine Legebatterie gekidnappt wurde. JENNI ZYLKA