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: HELMUT HÖGE über Hasch

„High sein, frei sein, Terror muss dabei sein!“

Die Gesetze hinken wieder mal extrem hinterher: Kaum dräut der legale Hasch-Verkauf in Apotheken (siehe taz vom 29. 12. 03), wo die Droge schon einmal vertickt wurde (bis das US-Verbot auch hierzulande griff) – da sind die Endverbraucher bereits ganz woanders: Neulich wurde ich im U-Bahnhof Schönleinstraße Zeuge, wie zwei arme Dealer, die jedem Vorbeigehenden „Hasch!“ zuflüsterten, von einer Gruppe Grundschüler hochgenommen wurden: „Bleibt uns bloß mit dieser Kinderdroge vom Hals!“, riefen sie. Ich war darüber mehr erstaunt als die Dealer, die nur bitter lächelten.

Zu meiner Zeit las ich einmal in einem „Jerry Cotton“-Heft, dass irgendwelche finsteren Rauschgiftdealer den New Yorker Schülern direkt auf dem Schulhof Haschisch angedreht hatten. Sie wurden dann natürlich vom G-Man zur Strecke gebracht. Aber ich war echt empört über diese Verbrecher. Und tatsächlich passierte es dann wenig später im Internat Scheeßel, dass ein Klassenkamerad von mir dort beim Haschischverkauf erwischt wurde. Er flog sofort von der Schule. Und auch wir hatten kein Mitleid mit ihm.

Wieder ein paar Jahre später, inzwischen kiffte sogar mein Vater, kam es noch einmal in Limburg zu einer Antihaschischkampagne: Dort hatte Mathias Broeckers einen kirchlichen Kellerraum in einen Jugendclub umfunktioniert – sogar mit psychedelischem Licht: bestehend aus einer Reihe bunt angemalter Glühbirnen, die er im Rhythmus der Musik an- und ausknipste. Den Stadtverordneten war das Treiben dort derart suspekt, dass sie darüber eine Sitzung anberaumten, auf der der Bürgermeister – vergeblich – die Schließung des Clubs forderte – mit der Begründung: „Die spritze sich da das pure Haschisch!“

In Berlin war man da schon aufgeklärter: In der Wannseekommune zum Beispiel ließen die Polizisten bei den Razzien bald nicht nur das Haschisch links liegen, es fanden sich dort auch regelmäßig einige Polizisten nach Feierabend zum Mitkiffen ein. Von der Kommune 1 erwarben wir einmal für ein großes würfelförmiges Stück Haschisch eine runde japanische Geschirrspülmaschine. Die DDR-Grenzer bekamen von uns das Haschisch (nebst Pfeifchen) umsonst, dafür waren sie jedoch besonders freundlich. Das änderte sich aber mit dem Transitabkommen: Ab da waren nämlich die BRD-Zollmöpse für uns zuständig – und prompt erwischten sie meinen Freund Bernd mit 6 Gramm in Helmstedt: was ihm teuer zu stehen kam.

Ein paar Jahre später schulte meine Freundin Helga ihren Sohn Max ein. Schon am vierten Tag kam seine Klassenlehrerin zu ihr nach Hause. Sie druckste eine Weile rum und rückte schließlich damit raus, dass sie Max auf der Jungstoilette dabei erwischt hätte, wie er seinen Mitschülern Haschisch verkaufte. Weil seine Mutter eher amüsiert als entsetzt reagierte, entspannte sich auch die Klassenlehrerin langsam. Zuletzt rauchten die beiden Frauen gemeinsam das konfiszierte Piece auf, das der Erstklässler sowieso seiner Mutter geklaut hatte.

In der taz entfesselte Mathias Broeckers schon wenig später eine regelrechte Haschkampagne: „Auf deutschem Boden darf nie wieder ein Joint ausgehen!“ Das Motto stammte von Wolfgang Neuss, der das Rauschgift geradezu für unverzichtbar beim Durchhecheln der Zeitläufte hielt. Tatsächlich wurde Thoha – der erste taz-Chefredakteur dann mit einem kinderkopfgroßen Haschischklumpen von seinem „Freigestelltenjob“ verabschiedet. Er hatte unter anderem die Entdeckung von THC im katholischen Weihrauch ganz groß aufgemacht.

Angeblich soll damals sogar Heinrich Lummer, jedesmal wenn seine Tochter mit ihrem Freund in Urlaub fuhr, dessen Cannabispflanzen gepflegt haben. Zuvor droppte Otto Schilys Frau Christine nach einem Joe-Cocker-Konzert spontan out, um mit dem sympathishen Sänger in London ungestört einen durchziehen zu können. Dann wurde auch noch Rudolf Augstein irgendwann in Italien beim Haschischschmuggeln erwischt und zuletzt eine PDS-Politikerin – in Südostasien. Der Hanfdampf-in-allen-Gassen-Broeckers verdiente mit einem Cannabisbuch so viel Geld, dass er das Franchise-Unternehmen „Hanfhaus“ gründete. Flankierend dazu entstanden in Berlin ein „Hanfmuseum“ und eine alljährliche „Hanfparade“.

In der taz stieg man langsam auf Schaumwein um. Das Haschisch war damit durch – das heißt höchstens noch was für Kinder und alte Leute. Diese Droge zersetzt vor allem das Kurzzeitgedächtnis – die Kids haben noch keins und merken deswegen nix, während bei den Alten dadurch der Übergang zum Altersschwachsinn fließend wird – so dass ihre Umgebung nichts merkt. Ich weiß, wovon ich rede.