Wie‘s kommt, so kommt‘s

Für Michael Uhrmann ist das Wichtigste die Freude am Sport. Wenn dann, wie beim vom Norweger Sigurd Pettersen gewonnenen Neujahrsspringen, noch ein guter Platz herausspringt, umso besser

AUS GARMISCH-PARTENKIRCHEN KATHRIN ZEILMANN

Wenn Michael Uhrmann über das Skispringen redet, verwendet er oft das Wort Spaß. Sein Sport müsse ihm Freude bereiten, dann könne er auch die Leistung bringen, die er sich vorgenommen hat. Verbissener Ehrgeiz würde ihn eher blockieren, als zusätzliche Leistung freizusetzen. Aber so einfach ist das leider nicht: Auch Uhrmann, immerhin Weltmeister und Olympiasieger mit der Mannschaft, kann sich dem Leistungsdruck im Millionengeschäft Skispringen nicht entziehen. Gute Platzierungen werden erwartet, klappt es nicht, wird kritisch nachgefragt.

Dass die Mischung aus Lockerheit und Spaß am Sport funktionieren kann, hat Uhrmann nach seinem 4. Rang beim Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf auch gestern beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen bewiesen. Im ersten Durchgang kam er mit einer Weite von 118 m auf den 6. Rang, im zweiten landete er bei 116,5 m und wurde am Ende 7. Bester Springer des deutschen Teams war diesmal allerdings Georg Späth, der sich mit Sprüngen von 120,5 und 118,5 m nur Sigurd Pettersen (123/120,5) und Martin Höllwarth (118,5/121) geschlagen geben musste, Der Norweger hatte schon in Oberstdorf gewonnen und führt nun in der Tourneewertung deutlich vor Höllwarth. Während Sven Hannawald (114,5/116) als 9. und Martin Schmitt (114,5/108) als 22. erneut nicht an vergangene Großtaten anknüpfen konnten, liegen Späth und Uhrmann in der Gesamtwertung auf den Plätzen 3 und 4 und sind auf dem besten Weg, den etablierten Stars im Team diese Saison den Rang abzulaufen.

Daheim in Breitenberg im Bayerischen Wald, wo Michael Uhrmann unter Anleitung seines Vaters einst das Skispringen lernte, ist „der Michi“ längst ein richtiger Star, der nach seinen Mannschaftstiteln groß empfangen wurde. Aber sonst? Wenn Sven Hannawald und Martin Schmitt in Erscheinung treten, spielt der junge Mann mit bayerischem Akzent und meist verstrubbelten Haaren nur noch eine Nebenrolle. Dabei hatte er sich gerade zu Beginn der vergangenen Saison, als Schmitt schon hinterherhinkte und Hannawald wegen einer Knieoperation erst spät in Form kam, hervorgetan. „Leistungsmäßig war ich hinter Hannawald die Nummer zwei. Trotzdem war ich die Nummer drei“, sagt Uhrmann. Weil Schmitt eben populärer sei. Auch der gute Start bei der Vierschanzentournee wird an Uhrmanns Rolle als Schattenmann nichts ändern. Obwohl er und Georg Späth nach dem ersten Durchgang in Oberstdorf noch alle Siegchancen hatten, schaltete sich ein halbe Million Fernsehzuschauer nach den enttäuschenden Sprüngen von Hannawald und Schmitt aus der Übertragung aus. Doch irgendwie ist es Uhrmann auch recht, dass er nicht so im Mittelpunkt steht. Für die Freiheit, die meiste Zeit des Jahres unbemerkt von der Öffentlichkeit zu leben und sein Privatleben nicht ständig in Boulevardzeitungen abgedruckt zu sehen, verzichtet er gerne auf lukrative Werbeverträge und permanentes Rampenlicht. „Ich fühle mich in dieser Rolle absolut nicht unwohl“, sagt Uhrmann.

Wenn er sich denn mal in der Öffentlichkeit äußern darf, dann tut er das nicht chronisch albern. Verschüchtert ist er aber auch nicht. Im Gegensatz zu manchen Mannschaftskollegen kann er Sätze bilden, die dem gängigen grammatikalischen Schema folgen. Auftritte vor den Kameras oder auf Pressekonferenzen absolviert er mittlerweile routiniert und unterhaltsam. Aber so unbekümmert war der 25-Jährige nicht immer.

1996, als er zum zweiten Mal Juniorenweltmeister geworden war, wurde die Last der Erwartung riesig. Michael Uhrmann galt als Nachfolger von Jens Weißflog. Doch er erlitt zwei Stürze, war lange verletzt und traute sich die Rückkehr auf die Schanze eigentlich schon gar nicht mehr zu. „Eine Zeit lang hatte ich wirklich Angst, ich wollte fast schon aufhören“, schildert er diese Zeit. Doch der damalige Bundestrainer Reinhard Heß glaubte an Uhrmanns Talent, machte ihm immer wieder Mut. Die Gedanken ans Aufhören sind freilich mittlerweile passé. Uhrmann fühlt sich wohl im Weltcup, auch wenn er bereits an die Zeit nach der Karriere denkt. Jura studieren würde er gerne. Im vorigen Jahr hat er seine Ausbildung zum Polizeiobermeister beendet und damit im Vorfeld dieser Saison erstmals keine berufliche oder schulische Zusatzbelastung zu verkraften: „Sich voll aufs Training zu konzentrieren, hat total gut getan.“

Einen Platz unter den besten 10 des Gesamtweltcups hat er sich in diesem Winter vorgenommen. Aber seiner Devise bleibt er treu. „Ich muss sagen können, dass mir die Wettkämpfe Spaß machen. Umso mehr natürlich, je besser das Ergebnis ist.“ Also bitte bloß keinen Druck aufkommen lassen: „Ich springe einfach, und wie’s kommt, so kommt’s.“