Echter Dreck im TV

Sat.1 will nun die Welt erklären. Mit „Clever! – Die Show die Wissen schafft“ (Sa, 19.15 Uhr) geht der Sender in die Bastelstube und macht dort Comedy

VON DANIEL SCHULZ

Barbara macht uns die Maus. Ex-Explosiv-Frontfrau Barbara Eligmann wird ab morgen die Welt erklären, wie es früher die Sendung mit der Maus getan hat. Sat.1 hat eine neue Wissenshow und die geht so: Frau Eligmann stellt Fragen, zwei Prominente geben beschwingte Antworten. Dann macht Wigald Boning ein Experiment und beweist, wer Recht hat. Die schlauere Berühmtheit kriegt ein Zahnrad am Bildschirmrand. Danach noch mehr Fragen, noch mehr Zahnräder. Nach 60 Minuten hat einer gewonnen. Zwischendurch darf das Publikum für ein paar Tausender auch noch eine Frage beantworten. Das ist „Clever! – Die Show die Wissen schafft. Vier Folgen wird es geben; wenn es gut läuft, auch mehr.

„Wir wollen Unterhaltung für die ganze Familie“, sagt Eligmann. Außerdem könnten die Zuschauer nach der Sendung mit ihrem Wissen angeben. Das alles sei natürlich neu. Ist es selbstverständlich nicht. „Clever!“ erinnert stark an die Mutti aller Pop-Wissenssendungen – die „Knoff-Hoff-Show“. 1999 hatte sie das ZDF sanft entschlummern lassen, nachdem Joachim Bublath 13 Jahre lang erklärt hatte, wie Atomkraft geht und wieso der Wind weht – mit Live-Experimenten. Bublath durfte alles, was knallte oder komplex war. Die Frau neben ihm blies Windräder an oder machte Seifenblasen. Im Oktober 2002 kam die Wiederauferstehung. „Knoff-Hoff“ gibt es seitdem jeden Herbst einmal – 60 Minuten, mit Prominenten, die Experimente machen. Sat.1 will so etwas auch, nur wöchentlich.

Denn Technik- und Wissenschaftssendungen sind beliebt. „Galileo“ holt für Pro 7 täglich knapp 2 Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Über ein Dutzend andere Formate versuchen Ähnliches: Die dritten Programme der ARD gönnen sich Wissensshows ebenso wie das Deutsche Sportfernsehen („DSF Science“, Donnerstag, 7.35 Uhr). Nur RTL hält sich völlig raus. Dennoch gilt: Die Privaten sind mutiger. Schon früh holten sie Wissenschaft und Technik aus den angestaubten Bastlerecken und Pädagogikstuben von ARD und ZDF. Die Sender der ehemaligen Kirch-Gruppe machten daraus Abendunterhaltung. Pro 7 startete 1996 „Welt der Wunder (Sonntag, 19.30 Uhr) und 1998 „Galileo“ als erste tägliche Sendung (19.15 Uhr). Nach einem Jahr bemerkte auch die ARD, dass hier ein Geschäft zu machen sei. Allerdings versteckt sie ihr tägliches Magazin „nano“ im Spartenkanal 3sat (18.30 Uhr). Obwohl die Sendung in den regionalen Programmen wiederholt wird, lockt sie siebenmal weniger Zuschauer als Galileo“. Niveau-Unterschiede gibt es kaum, die täglichen Sendungen wollen den Alltag so einfach wie möglich erklären, oftmals mit dem gleichen kindgerechten Erzählstil wie die „Sendung mit der Maus“.

Magazine, die seltener laufen, dürfen zumindest bei den Öffentlich-Rechtlichen auch höheren Anspruch haben. Während Aimann Abdallah in „Galileo“ zur Weihnachtszeit erklärte, wie die Sultanine in den Christstollen kommt, untersuchte Ranga Yogeshwar in „Quarks & Co.“, was da wohl zu Jesu Geburt über Bethlehem geleuchtet haben mochte. Es ging um Supernoven und Kometen, Moleküle und altbabylonische Astrologie.

Technisch stehen sich die Sender in nichts nach: 3-D-Animationen, Zeitraffer, perfekte Ausleuchtung – alles Standard. Wissenschaft und Technik will eben auch technisch perfekt inszeniert sein. Damit ist auch Kritik an Technik selten. Außer etwas funktioniert nicht, ist zu teuer oder gesundheitsschädigend. Grundsätzlich stehen Technologien – wie noch in den 70ern – nicht mehr in Zweifel.

Bei „Clever!“ spielt Technik gar keine Rolle. Die Sendung ist oldschool – Sat.1 geht den Weg zurück in die Experimentierstube. Kombiniert jedoch, und das ist neu, mit der erfolgreichen Comedy-Schiene. Die Kulisse ist sparsam. Kein Schnickschnack, sondern rußiges Knallen, wenn Wigald Boning zeigt, dass Sauerstoff ins Raketenbenzin gehört. Echter Dreck, wenn getestet wird, ob Stullen immer auf die Butterseite fallen. Das verheißt alte Tugenden: Ehrlichkeit, Anfassen und Mitmachen vom Fernsehsessel aus. Die Kinder können etwas lernen und fast alles mit Pappi nachspielen. Dazu kokettiert Eligmann altjüngferlich mit ihrem Adlatus „Doktor Boning“. Ein wenig Biedermeier in Zeiten der Krise, Balsam auf die gestresste Seele des Kleinbürgers. „Clever!“ ist das Experiment, das sich die neue Mitte noch zumuten darf.