der große public value test (14 + schluss)
: Heute: Da lacht der Gutachter

Heute soll nun weißer Rauch über Dresden aufsteigen und davon künden, dass sich die dort versammelten Länder-Ministerpräsidenten auf die neuen Spielregeln im Rundfunk geeinigt haben. Der Haken ist nur, dass der neue Staatsvertrag vermutlich mehr Probleme schafft als löst.

Es war vielleicht der letzte Medienkrieg des klassischen Zeitalters: Die Kombattanten aus Politik, Privatsendern, Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen zogen durchs Land, von Staatskanzlei zu Staatskanzlei und von Medienkongress zu Medienkongress. Ihre Wallensteins und Gustav II. Adolfs hießen Raff (ARD), Schächter (ZDF), Doetz (Privatsenderverband VPRT), Heinen (Zeitungsverleger), Burda (Zeitschriftenverleger), Oettinger (CDU) oder eben Kurt Beck (SPD).

Anders als Wallenstein und der Schwedenkönig können sich fast alle Beteiligten als Sieger fühlen. Die Schlachten, die sie nun geschlagen haben, waren allerdings von Anfang an von gestern. Der neue Staatsvertrag reguliert umständlich und langatmig den Status quo und berücksichtigt die heute virulenten Ängste aller Beteiligten vor dem noch nicht gezähmten Internet. Mehr nicht. Dafür schreibt er viel zu viel verbindlich fest, was sich schon bald als Makulatur erweisen könnte: die Zahl digitaler Programme für ARD und ZDF. Oder lange Ausschlusslisten, was für sie per se im Internet verboten sein soll – von A wie Anzeigenportal bis V wie Veranstaltungskalender.

Doch derlei Einwände während der jahrelangen, zähen Diskussion – so viel immerhin war Konsens – haben die Beteiligten souverän vom Tisch gewischt. Nun liegt ein dreißigseitiges Papier zur Unterschrift bereit, das den deutschen Rundfunk und seine Entwicklung noch ein bisschen weiter bürokratisiert.

Denn der neue Vertrag stellt zwar auf dem Papier diverse gegensätzliche Interessen zufrieden – drückt sich um klare Definitionen aber herum: Was bitte sind „nicht sendungsbezogene presseähnliche Angebote“, die ARD, ZDF und Deutschlandfunk hinfort verboten sein sollen? – Ein gutes Gesetz lasse immer Interpretationsspielraum – das sei man schon den Gutachtern schuldig, meinte schon im Frühjahr ein tief in die ganze Veranstaltung eingebundener Medienbeamter ganz ohne Ironie.

Bei näherem Hinsehen scheinen ebenjene Gutachter tatsächlich die wahren Sieger des Kampfes um die digitale Windmühle namens Internet zu sein: Denn auch der zweite große Wurf des Staatsvertrags, der so genannte 3-Stufen-Test, ist wie für sie gemacht. Das Verfahren für neue digitale Angebote sieht die „Hinzuziehung gutachterlicher Beratung“ sogar zwingend vor.

Der Politik ist dabei kein direkter Vorwurf zu machen: Sie kann nicht anders. Ihre Alternative wäre gewesen, den Rundfunk – mit dessen Neudefinition im digitalen Zeitalter man sich lieber gar nicht erst ausdrücklich befasst hat – weitgehend aus ihrer liebenden Fürsorge zu entlassen. Doch das zu erwarten, wäre ähnlich realistisch wie die Forderung, das ZDF zu privatisieren oder – da es ja nun genügend andere öffentlich-rechtliche Kanäle gibt – einfach abzuschalten.

Ein schwacher Trost bleibt: Auch online kommt es meist anders, als man denkt. STG