Dioxin: Jetzt auch im Schweinebauch

Erhöhter Dioxinwert bei Mastschwein in Bayern festgestellt. Künast: Thüringen muss sich auf Klagen einstellen

BRÜSSEL/ERFURT afp/ap/rtr ■ Der Dioxin-Skandal scheint die Fleischtheken erreicht zu haben. Wie die Behörden am Mittwoch mitteilten, wurde in einem bayerischen Mastbetrieb bei einem Schwein ein erhöhter Wert des Krebs erregenden Dioxins festgestellt. Damit ist nicht auszuschließen, dass belastetes Fleisch auch in den Handel gelangt ist.

Thüringen muss sich wegen des Skandals um mit Dioxin verseuchtes Tierfutter möglicherweise auf Schadenersatzklagen der geschädigten Tiermastbetriebe einstellen. Gingen die Schäden auf eine fehlerhaft organisierte Futtermittelüberwachung zurück, liege ein „Organisationsverschuldung“ vor, aus dem Haftungsansprüche entstünden, so Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) gestern in Brüssel.

Dioxin-verseuchte Futtermittel aus einem Mischfutterwerk im thüringischen Apolda waren zwischen Mitte November und Ende Januar an Tiermast- und Zuchtbetriebe sowie Mischfutterwerke in Thüringen, Sachsen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen sowie an ein Mischfutterwerk in den Niederlanden geliefert worden. Gemeinsam mit den Niederlanden hat Künast eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um zusammen mit der Verarbeitungsindustrie die Sicherheit der Lebensmittel zu erhöhen. Auf Bundesebene habe das Schnellwarnsystem beim jüngsten Dioxin-Skandal funktioniert, sagte Künast. Der Bund habe nach Eingang der Testergebnisse noch am gleichen Tag die anderen EU-Mitglieder informiert. Die der Meldung zugrunde liegenden Proben seien schon am 4. Dezember genommen worden, aber erst am 18. Dezember ins Labor gelangt. Wegen der Weihnachtspause seien die Proben erst ab dem 7. Januar untersucht worden. Das Thüringische Landwirtschaftsministerium sei über die Tests am 15. Januar unterrichtet worden und habe die Ergebnisse erst am 7. Februar an den Bund weitergegeben.

Als Konsequenz aus dem Thüringer Dioxin-Skandal hat die SPD-Landtagsfraktion eine Neuordnung der Lebensmittelkontrolle im Freistaat gefordert. Die Defizite einer „katastrophalen Informationspolitik“ hätte es nicht gegeben, wenn die Überwachung von der Herstellung des Futtermittels bis zur Kontrolle des Endprodukts an der Ladentheke in einer Hand gelegen hätte. In Thüringen ist das Landwirtschaftsministerium für die Futtermittelkontrolle zuständig, das Gesundheits- und Sozialministerium hat die Lebensmittelüberwachung zu verantworten.

Eine stärkere Zentralisierung der Lebensmittelüberwachung auf Bundesebene fordert indes Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch: „Das Ausmaß des Dioxin-Skandals zeigt gravierende Schwachstellen im Kontroll- und Sanktionssystem.“ Neben Gesetzen mit Sanktionen für die Futtermittelindustrie fordert er eine Zentralstelle für Überwachung auf Bundesebene, die „in Windeseile“, etwa durch eine Task Force, auf solche Fälle reagieren könne.