Das Volk soll über die Bank richten

Eine Bürgerinitiative fordert die Auflösung der landeseigenen Bankgesellschaft in Berlin – und hat nun genug Kraft, um darüber eine Volksabstimmung zu beantragen. Heute Übergabe der Unterschriften an die rot-rote Landesregierung

BERLIN taz ■ Es ist ihr bislang größter Erfolg: Heute übergibt die Bürgerinitiative „Berliner Bankenskandal“ dem Innensenator der Hauptstadt, Erhart Körting (SPD), eine Liste mit rund 32.000 Unterschriften. Das Ziel der Aktion ist die Einleitung eines Volksbegehrens, das zur Auflösung der Berliner Bankgesellschaft führen soll. Laut Landesverfassung sind dafür zunächst 25.000 Unterschriften nötig.

Hätte das Plebiszit Erfolg, wäre es ein Novum für die deutsche Bankgeschichte: Der Senat wäre gesetzlich verpflichtet, seine mehrheitlich landeseigene Hauptstadtbank abzuwickeln. Hintergrund ist, dass das Landesparlament Geschäftsrisiken der Bank in zweistelliger Milliardenhöhe übernommen hat, viele Berliner mit ihren Steuergeldern aber nicht für Milliardenverluste der Bank haften wollen.

Der Versuch direkter Demokratie in Berlin berührt die Wirtschaftsordnung in ihrem Kern. Die Bürgerinitiative, gestartet von Polititologieprofessor Peter Grottian und Attac, will eines verhindern: dass ein maroder Konzern mit Milliarden Steuergeldern aufgepäppelt wird, um ihn dann an Private zu verkaufen – während die Allgemeinheit auf den Verlusten sitzen bleibt. Eine pikante Situation für den Senat aus SPD und PDS. Ihre Genossen sind es, die dieses alte Lied am liebsten singen: dass Verluste sozialisiert, Gewinne aber privatisiert werden.

Anfang der 90er-Jahre war die Bankgesellschaft aus öffentlichen und privaten Berliner Banken geschmiedet worden, um im Konzert der deutschen Großbanken mitspielen zu können. Eines der Hauptgeschäftsfelder war die Immobilienbranche, im alten Westberlin stets eine Goldgrube für Baulöwen. Ab Mitte der 90er-Jahre legte die Bank riskante Immobilienfonds auf – sie bescherten privaten Anlegern weit bessere als marktübliche Konditionen. Schneeballartig wurde dieses Geschäft ausgedehnt. Bis die Blase platzte – und mit ihr im Jahr 2001 die große Koalition von CDU und SPD.

Um den Konzern vor dem Ruin zu retten, pumpte das Land zunächst rund 1,7 Milliarden Euro in die Bank. Wenig später beschloss das Abgeordnetenhaus die Risiko-Abschirmung. Damit bürgt das Land für alle alten Immobilienrisiken, und zwar bis zu 21,6 Milliarden Euro – mehr als ein Jahresetat der hochverschuldeten Hauptstadt.

Was für die Bürgerinitiative der große Skandal ist, sieht der Senat als das kleinere Übel. SPD und PDS argumentieren, es sei keine seriöse Alternative, die Bank in die Insolvenz zu führen – weil dies am Ende Berlin noch mehr koste. Denn das Land hafte auch im Pleitefall für die meisten Geschäfte der Bank.

Eines ist der Bürgerinitiative gelungen: Seit fast zwei Jahren skandalisiert sie erfolgreich das Thema. Die eigentliche Volksabstimmung, über deren formale Zulässigkeit Innensenator Körting noch befinden muss, wäre der Höhepunkt der Kampagne – auch wenn deren eigentliches Ziel schwer erreichbar ist. Denn dann müssten 240.000 Berliner binnen zwei Monaten dafür votieren, die Volksabstimmung einzuleiten. Sollte es dazu kommen, müssten die Berliner mit einfacher Mehrheit ihre Bank abwickeln. RICHARD ROTHER