Israelis beantragen „Zweitpässe“

„Schalom, ich fahre jetzt“, sang Schlagerstar Hawa Alberstein schon vor zehn Jahren. Nicht dass „London“ auf sie warte, aber „in London ist die Verzweiflung besser auszuhalten“. Was damals streng verpönt war, das „Hinabsteigen“, wie die Israelis das Auswandern bezeichnen, gilt heute als gesellschaftsfähig. Nach Umfragen der Tageszeitung Ha’aretz würde jeder dritte Israeli lieber woanders leben. Gut jeder Zehnte tut das bereits, rund eine halbe Million in den USA.

Über einen regelrechten Sturm auf die zweite Staatsbürgerschaft berichteten letzthin auch die ost- und mitteleuropäischen Botschaften. Der ausbleibende Frieden, Terrorangriffe und die wirtschaftlichen Folgen bilden eine Seite der Medaille, die Nähe zum wachsenden europäischen Markt die andere. Allein 2003 wurden 3.000 Anträge auf die deutsche Staatsangehörigkeit gestellt – 40 Prozent mehr als im Vorjahr und sogar 130 Prozent mehr als im Jahr 2000. Gut verdoppelt hat sich auch die Zahl der Anträge bei der österreichischen Botschaft. Die Tschechen und die Ungarn müssen je einige hundert Anträge im Jahr bearbeiten, auch die polnische Diplomaten berichten von einen „enormen Anstieg“ und „einigen tausend“ Antragstellern. Eine amtliche Statistik gibt es nicht, inoffizielle Schätzungen gehen aber davon aus, dass drei von vier Israelis bereits mit einem Zweitpass versorgt sind. SK