René ist ok

Der Schweizer Weltstar DJ Bobo eröffnet im Bremer Rathaus seine Kampagne gegen Landminen. Eine heikle Melange aus Kommerz und Charity. Trotzdem geht es dabei um eine traurige, gute Sache

taz ■ „Ein bisschen uncool“ sei der DJ Bobo schon geworden, sagt der 12-jährige Ozan – und trotzdem harrt er an diesem bitterkalten Freitagmittag mit anderen Knirpsen, allesamt in Rot-Kreuz-Montur, vor dem Rathaus aus, um ein Autogramm vom Superstar aus den Alpen zu ergattern. Doch Ozan hat keine Traute. Wie die anderen schweigt er ehrfürchtig, als der ziemlich übernächtigt wirkende DJ plötzlich mit einem „Hallo zusammen“ an der bunten Truppe vorbeischlurft – eine ziemlich große Horde Kameras und Reporter im Schlepptau.

Es geht um einen hehren Zweck: Landminen und was man dagegen tun kann – nämlich spenden. Einst begann Bobo alias René Baumann, gelernter Bäcker, als Schweizer DJ-Meister. Gestern startete Bobo (245 goldene und 20 platine Platten) seine Kampagne für Minenopfer in Südosteuropa und im Irak – in Bremen, weil er gestern Abend bei „3 nach 9“ talkte.

Auch Henning Scherf spielt bei dieser heiklen Melange aus Kommerz und Charity mit. „Ich weiß, dass Sie ein Weltpublikum haben“, schmeichelt der Bürgermeister. Und: „Redet man Sie mit DJ Bobo an?“ „René oder Bobo ist ok“, sagt der Star. Minen seien „eine gemeine Verstümmelung Unschuldiger“, meint Scherf. Über 90 Prozent der Opfer seien Zivilisten. Mit Krieg habe das „gar nichts zu tun“.

Bobo erklärt, „für uns Künstler ist es immer schwierig, alles richtig zu machen.“ Oft habe er sich gefragt: „Was kann ich tun?“ – und es klingt fast ehrlich. Während Bobo weiter fragt „Was ist glaubwürdig? Was macht mir Freude?“, streift sich Scherf ohne Mucksen das T-Shirt mit dem Bär ohne Bein unter die Anzugjacke. „Echte“ einbeinige Kuschelbärchen werden die Fans auf der Deutschland-Tournee von Bobo kaufen können. Außerdem soll ein Euro des Eintrittspreises bei Bobos Südosteuropa-Konzerten an das Deutsche Rote Kreuz gehen. Doch alles nur Verkauferei?

Die letzten Zweifel, dass es hier trotz allem PR-Rummel um eine ebenso traurige wie gute Sache geht, wischt Achim Müller vom DRK vom Tisch.

Müller rührt mit Zahlen, schrecklichen Zahlen. 110 Millionen Minen seien weltweit versteckt, 100 Millionen noch in den Lagern. Während im vergangenen Jahr gerade 100.000 geräumt worden seien, wurden gleichzeitig wieder 1,5 Millionen produziert.

Einer der Todesbringer koste ganze zehn Dollar, das Räumen im Schnitt jedoch 1.500 Dollar pro Stück. „Alle 15 Minuten geht irgendwo eine hoch, pro Tag sterben 70 Menschen durch Minen“, sagte Müller und stellte die Gruseligsten gleich vor. Etwa den kleinen grünen Plastikkasten, der gerne von Helikoptern auf Feindesgebiet abgeworfen wird: Kinder würden ihn oft für Spielzeug halten. Um etwas gegen die Minen-Pest zu tun, brauche es viel Geld. „Eine simple Prothese kostet vielleicht 50 Dollar“, erzählte Müller. Aber ein 10-Jähriger benötige dreißig bis vierzig Stück, bis er erwachsen sei. Klar sei man froh, dass man so ein Zugpferd wie den Schweizer habe gewinnen können.

Bis heute habe er einen Besuch in Sarajewo nicht vergessen, bei dem er wegen Minengefahr nicht auf die Straße gehen durfte, erzählt Bobo: „Aber dort spielten Kinder, die mit der Gefahr leben mussten. Da erst habe ich begriffen, dass der Krieg für diese Leute noch nicht vorbei ist.“Kai Schöneberg