Traum vom stressfreien Lernen

Eine von der herkömmlichen Pädagogik frustrierte Kölner Mutter will eine neue Gesamtschule gründen. Der Haken: Noch fehlen ihr Räume und drei Millionen Euro

KÖLN taz ■ „Wenn ein Grundschüler sagt, ‚Ich möchte nicht mehr leben‘“, dann stimmt doch in unseren Schulen etwas nicht“, sagt Birgit Lenzen-Liedtke. Immer weniger Schüler schafften den Hauptschulabschluss, immer mehr würden auf Sonderschulen geschickt. „Und es gibt immer mehr Privatschulen“, beklagt die Kölnerin.

Mit einer weiterführenden Gesamtschule, die im Sommer diesen Jahres den Unterricht aufnehmen soll, will Lenzen-Liedtke eine Alternative anbieten. Ein Antrag auf Anerkennung als Ersatzschule will die engagierte Mutter einer 12-jährigen Tochter im März bei der Kölner Bezirksregierung stellen.

Die geplante „Lenzen-Liedtke-Gesamtschule“ beruht auf dem Konzept der verstehenden Pädagogik. „Es gibt keine schwierigen Kinder“, erläutert die Schulgründerin in spe ihr Konzept. „Kinder und Jugendliche halten uns vielmehr mit ihrem Verhalten einen Spiegel vor.“ Neben dem klassischen Fächerkanon soll die Schule „Unterricht in Medialität“ anbieten. Dies ist ein ganz zentrales Anliegen von Birgit Lenzen-Liedtke. Die Schüler erhalten in diesem Unterricht Hilfestellungen, um ihre eigenen Fähigkeiten zu klären und zu erkennen.

In der geplanten Gesamtschule sollen zunächst vier Klassen eingerichtet werden. Acht Kinder sind bereits angemeldet. „52 Plätze für die fünfte bis achte Klasse sind noch frei“, so Lenzen-Liedtke. Jeweils zwei Jahrgänge werden in einer Klasse mit maximal 15 Schülern zusammengefasst. Nach und nach sollen bis zu 13 Klassen eingerichtet werden. Vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur sind alle Schulabschlüsse möglich. Bis zur 9. Klasse gibt es keine Noten. Der Frontalunterricht fällt gänzlich weg.

„Das zwölfköpfige Lehrerkollegium steht bereits“, berichtet Lenzen-Liedtke. Lehrer und Schüler seien gleichwertig. Sie sollen einander auch in schwierigen Situationen verstehen. Morgenbesprechung und Abschlussrunde gehören daher zum Unterrichtsablauf. Nachmittags soll die Schule für Arbeitsgemeinschaften geöffnet bleiben. Ein Café und andere Freizeiteinrichtungen sollen die neue Schule in der Gemeinde verankern.

Räume für das Projekt werden noch gesucht. Knackpunkt des Projekts ist jedoch die Finanzierung. Selbst wenn die Bezirksregierung die geplante Schule als Ersatzschule anerkennt, bekommt die Schulgründerin in den ersten drei Jahren keine öffentlichen Gelder. Ein Schulgeld soll möglichst nicht erhoben werden. Eine Million Euro pro Jahr muss Lenzen-Liedtke daher organisieren. THOMAS SPOLERT