schmickler macht ernst
: Knubbel und Wurst

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

So, jetzt haben wir das Gröbste erst einmal hinter uns: Die Weihnachtsmüll-Märkte abgebaut, die kahl genadelten Tannenbäume in den Schreddern der Abfall-Beseitigungs-Betriebe und die völlig unbrauchbaren Doofmanns-Geschenke entweder umgetauscht oder in der Kiste für‘s Horror-Wichteln im nächsten Jahr. Gut, es gibt noch ein paar ganz Hartnäckige, die lassen den ganzen Weihnachtsplunder bis zum Drei-Königstag in ihren Wohnungen rum modern, aber im Großen und Ganzen ist die Stadt doch wieder befreit von allem optischen Rabammel und akustischen Rabimmel der drei tollen Tage. Und das Beste ist: Silvester ist auch endlich vorbei!

Wer einmal den Jahreswechsel auf einer der Kölner Rheinbrücken erlebt hat, der hat ein ungefähres Bild davon, wie es in der Hölle zugehen muss. Tausende und Abertausende durchgeknallte Masochisten quetschen sich schon Stunden vor dem Big Bang auf den Fahrbahnen und tun das, was der Kölner in solchen Situationen immer tut: suffe un krakeele. Und dann um zwölf Uhr kommt der entsetzliche Höhepunkt der Dösbaddel-Party, dann kommt das Feuerwerk.

Damit wir uns richtig verstehen: Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn Menschen, die sich 365 Tage lang schwer beladen durch den Alltag quälen, wenn diese Menschen am Jahresende ein Fass aufmachen und sich Mut antrinken für das nächste, alle Wahrscheinlichkeit nach noch schlechtere Jahr; und ich weiß auch, dass viele Menschen einen Heidenspaß daran haben, ihr sauer verdientes Geld in den Himmel zu böllern und aus dem Fenster zu knallern. Was ich allerdings nicht begreife, ist, dass diese Unsitte sich mittlerweile auch bei Leuten breit macht, die noch vor gar nicht all zu langer Zeit aus Protest Baguettes auf die Straße geworfen haben. Sie wissen schon: Brot statt Böller!

Wie viele gute Bekannte habe ich dieses Jahr beobachtet, wie sie sich aus‘m Aldi geschlichen haben, die Tüten mit den verräterischen Holzpinnen unauffällig hinterm Rücken verborgen und im Gesicht diesen Da-sind-nur-Chips-drin-Blick! Und wenn ich sie dann angesprochen habe, dann hieß es in der Regel: „Ach komm, da ist doch nur ein uralter Brauch. Genau wie Silvester-Punsch und Bleigießen!“ – an Neujahr habe ich dann einen dieser Brauchtums-Wieder-Beleber auf der Straße getroffen. Auf der Schulter einen Riesenkater namens Punsch, das rechte Trommelfell zerfetzt von einem zu früh detonierten polnischen Mega-Böller (“hat mir meine Putzfrau besorgt“) und was den jämmerlichen Rest der traurigen Erscheinung anbetraf, irgendwie ziemlich mies drauf. Nach einem kurzen Gespräch kannte ich dann auch den Grund: das Bleigießen. Obwohl sie es wieder und wieder versucht hatten, war das Ergebnis immer das gleiche: seine Frau hatte Knubbel und er hatte Wurst. Frohes Neues!