„Wir sitzen nicht im Stromgefängnis“

Seit dreieinhalb Jahren können die Bremer selbst bestimmen, wo ihr Strom herkommen soll. Die Wahlfreiheit könnte die Energiewende beschleunigen. Doch der große Run weg von Kohle und Atom blieb bisher aus. Eine Zwischenbilanz

taz ■ Strom aus erneuerbaren Energiequellen, ohne Atomkraft und klimaschädliches Kohlendioxid erzeugt – wogegen sich Stromkonzerne jahrzehntelang gesperrt hatten, das können die Bremer seit dreieinhalb Jahren selbst regeln. „Wir sitzen nicht mehr im Strom-Gefängnis“, sagt Ökostrom-Pionier Jan Saffe. Er gehörte zu den Ersten, die 1999 von der neuen Freiheit im Energiemarkt Gebrauch machten und ihren Stromvertrag mit der swb – damals noch Stadtwerke – kündigten. Deren Strom, kritisiert er, stamme größtenteils aus Kohle- und Atomkraftwerken: „Das ist mir zu dreckig.“

1.200 KundInnen hat die swb bisher an andere Ökostrom-Anbieter verloren, 700 allein an die Hamburger Lichtblick GmbH. Deren Strom kommt je zur Hälfte aus regenerativen Energiequellen und aus gasbefeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kommt.

Saffe schwört indes auf die Elektrizitätswerke Schönau (EWS). Die „Stromrebellen aus dem Schwarzwald“ hatten 1997 ihr eigenes Energieversorgungsunternehmen gegründet, um vom Atomstrom unabhängig zu werden. Ihren Strom kaufen sie von Wasserkraftwerken und besonders effizienten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Mindestens 66 Prozent weniger klimaschädliches Kohlendioxid als im bundesdeutschen Durchschnitt versprechen sie, und vor allem: keinen Strom aus Anlagen, an denen Atomkraftwerks-Betreiber beteiligt sind. „Wir lenken auch die Geldströme um“, wirbt EWS-Gründer Michael Sladek. 220 BremerInnen konnten sie damit bisher überzeugen.

Ebenfalls rund 200 KundInnen beliefert auch Greenpeace Energy eG in Bremen mit Ökostrom. Marketingleiter Andreas Bähren rechnet mit weiterem Zuwachs. Der Grund: Greenpeace Energy baut das Wasserkraftwerk am Weserwehr, das 2006 in Betrieb gehen soll.

Während Lichtblick, Greenpeace Energy und EWS ihren Ökostrom selbst einkaufen oder erzeugen und ihn dann nach Bremen „durchleiten“, werden die 70 Bremer KundInnen der Düsseldorfer Naturstrom AG – hinter der Firma stehen die Umweltschutzverbände BUND und NABU – weiterhin von der swb beliefert. Naturstrom kassiert lediglich einen Aufpreis, den sie als Zuschuss an Betreiber von Photovoltaik-, Windkraft-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen weitergibt – zusätzlich zur gesetzlichen Einspeisevergütung, die auf alle Stromverbraucher umgelegt wird. Die dadurch rentabel arbeitenden Anlagen, das garantieren die Düsseldorfer Ökostromer, erzeugen mindestens so viel Strom wie die Naturstrom-KundInnen verbrauchen.

Der „pro Natur“-Traif der swb ist ebenfalls ein so genanntes Spenden-Modell. Die rund 1.000 „pro Natur“-KundInnen zahlen freiwillig bis zu 2,56 Cent pro Kilowattstunde mehr. Bisher kamen so über 115.000 Euro zusammen. Die swb legte knapp 100.000 Euro dazu, weitere 65.500 Euro Zuschuss sind für später in Aussicht gestellt. Ein Beirat aus BUND, Bremer Umweltberatung, Bremer Energie-Institut und swb entschied, mit 100.000 Euro die sechs Windkraftanlagen auf dem Gelände der Stahlwerke zu unterstützen. Eine Garantie, dass die geförderten Anlagen so viel Strom erzeugen, wie die „pro Natur“-KundInnen verbrauchen, gibt die swb allerdings nicht. Armin Simon