Mit Terror auf in den Wahlkampf

Die von Innensenator Dirk Nockemann geleitete Sicherheitsrunde Hamburger Staatsschutzorgane rechtfertigt den Großeinsatz um das Bundeswehr-Krankenhaus in Wandsbek trotz aller Kritik. Schill wirft seinem Nachfolger „blinden Aktionismus“ vor

von KAI VON APPEN

Der Ausnahmezustand um das Bundeswehr-Krankenhaus in Wandsbek bleibt auch vier Tage nach dem ausgelösten „Terroralarm“ bestehen. Darauf hat sich gestern die Sicherheitsrunde der Hamburger Staatsschutzorgane unter Leitung von Innensenator Dirk Nockemann (Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Schill) verständigt. „Die Expertenrunde ist zu keiner veränderten Lagebeurteilung gekommen, als die die zur Auslösung des Großeinsatzes geführt hatte“, erklärte Innenbehördensprecher Marco Haase, „so dass die notwendigen und erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen bis aufs Weitere aufrechterhalten bleiben.“

Zur Sicherheitsrunde gehören neben dem Innensenator und Polizeipräsident Udo Nagel auch die Chefs des Hamburger Verfassungsschutzes, des polizeilichen Staatsschutzes sowie anderer wichtiger Polizeibehörden. „Es gibt einen relativ konkreten Hinweis auf ein Bombenattentat, den wir in Hamburg in der Form bisher nicht kannten, daran hat sich nichts geändert.“ Auch vom Bundeskriminalamt gebe es keinerlei neue Lagebeurteilung. Aus diesem Grund bleibt die Region um die Klinik weiter mit Panzersperren abgeriegelt und von PolizistInnen mit Maschinenpistolen bewacht.

Indes dauerte der wahlkampfgeprägte Schlagabtausch um die Art und Weise des medial in Szene gesetzten „Terroralarms“ unvermindert an. Nachdem Nockemann Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) attackierte und indirekt seinen Rücktritt forderte – „Ich frage mich, ob er der richtige Verantwortliche für Sicherheit in Deutschland ist“ – konterte Schily prompt und warf Nockemann „künstliche Aufregung“ vor. Schily betonte, er habe „in keiner Silbe kritisiert“, dass die Innenbehörde in eigener Verantwortung vorsorglich Sicherheitsmaßnahmen getroffen habe. „Ob Art und Umfang und deren öffentliche Inszenierung sachgerecht waren, muss der Beurteilung der für die parlamentarische Kontrolle der Hamburger Innenbehörde verantwortlichen Gremien überlassen werden“, erklärt Schily.

Dieser parlamenarische Kontrollausschuss der Bürgerschaft wird am kommenden Mittwoch in einer nicht öffentlichen Sitzung tagen. „Es steht der Vorwurf im Raum, dass der Innensenator vertrauliche Geheimdienstinformationen ausgeplaudert und damit die Ermittlungen beeinträchtigt hat“, sagt der Vorsitzende und SPD-Innenpolitiker Michael Neumann.

Da sich die Hamburger SPD in puncto Innerer Sicherheit selbst gern zu profilieren versucht, steht der hastig angeordnete martialische Polizeieinsatz inzwischen nicht mehr direkt im Mittelpunkt der Kritik. Für den Polizeieinsatz zeigte gestern auch die SPD-Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Cornelia Sonntag-Wolgast aus Schleswig-Holstein, Verständnis. Weniger verständnisvoll reagierte Sonntag-Wolgast auf die Informationspolitik Nockemanns. Dieser hatte unter Berufung auf den US-Geheimdienst CIA alle Details eines möglichen Anschlages vorzeitig benannt. So teilte er mit, dass womöglich zwei Selbstmordattentäter der Gruppe Ansar el-Islam (Unterstützer des Islams) den Anschlag planten. Sonntag-Wolgast: „Der Senator hätte nicht erzählen dürfen, wie die Terrorgruppe der Anschlagsplaner heißt und wieviele Attentäter eingereist sind.“ So sieht es auch Schily: Es hätte sich um „vertrauliche Hinweise“ gehandelt, die von „verschiedenen Sicherheitsbehörden intern zur Verfügung gestellt“ wurden. Durch die „Geschwätzigkeit“ sei die „Abklärung der Hinweise erschwert, wenn nicht sogar vereitelt worden“.

Auf diesen Nenner bringt es auch der Ex-Koalitionspartner FDP. „Die Einschätzung einer polizeilichen Einsatzlage traue ich den Hamburger Sicherheitsbehörden sehr viel besser zu, als jedem Bundesminister“, sagt der innenpolitische Experte der Liberalen, Leif Schrader. „Auch mir scheint es jedoch fraglich, ob die detaillierte Warnung der Öffentlichkeit notwendig war.“

Zum Rundumschlag holte Amtsvorgänger Ronald Schill (Ronald-Schill-Fraktion) aus. Der Rechtspopulist wirft seinem Ex-Intimus „blinden Aktionismus“ vor, der mit seinem „skandalösen Wahlkampfgag“ Attentäter gewarnt hätte und nannte Nockemann „ein Sicherheitsrisiko“. Schill zufolge fährt nun „möglicherweise ein mit Sprengstoff beladener LKW durch Hamburg und geht im Elbtunnel hoch“.

Im Gegenzug versucht Nockemann wahlpolitisch Kapital zu schlagen. Er forderte eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze, die die bedingungslose Abschiebung verdächtiger Islamisten, den präventiven Großen Lauschangriff sowie verdachtsunabhängige Kontrollen im Umfeld von Moscheen zulassen.