„Ich bleibe in der Politik“

Die scheidende Grünen-Landeschefin Regina Michalik wehrt sich gegen den Vorwurf, die Parteispitze sei zu wenig in der Öffentlichkeit gewesen. Ein künftiges Abgeordnetenmandat schließt sie nicht aus

Interview STEFAN ALBERTI

taz: Frau Michalik, als sie Ihren Rückzug ankündigten, haben Sie das unter anderem damit begründet, man werde an der Parteispitze zur „Müllabladestelle für alles und jeden“. Nun gibt es so viele Kandidaten wie seit langem nicht. Sind das alles Masochisten?

Regina Michalik: Ich habe auch noch anderes gesagt: Dass es mir unterm Strich sehr viel Spaß gemacht hat.

Warum hören Sie dann gerade auf, wenn sich der Job finanziell erstmals lohnt, weil die Partei jüngst die Bezüge deutlich erhöht hat?

Ich bin ein Mensch, der gerne alle paar Jahre mal etwas anderes macht. Was die Erhöhung angeht: Ich sehe es zwar als einen Erfolg des alten Landesvorstands und nicht zuletzt auch meiner Person an, dass es in Zukunft möglich ist, sich als Vorsitzende tatsächlich hauptamtlich der Politik zu widmen. Mir ging es bei diesem Engagement aber um die Sache und nicht darum, selbst mehr zu verdienen.

Zum Thema Müllabladestelle sagt Fraktionschefin Sibyll Klotz, die Vorsitzenden sollten die Partei führen und sich nicht für alles und jedes selbst zuständig machen. Haben Sie zu wenig delegiert?

Nein, das Gefühl habe ich nicht. Es ist natürlich schon so, dass man ohne großen Apparat gezwungen wird, viele Dinge selber zu machen. Doch wenn ich schlecht delegieren könnte, hätte ich diesen Job nicht vier Jahre machen können.

Vorstandsbewerber Thomas Birk wirft dem bisherigen Vorstand vor, zu wenig öffentlich präsent gewesen zu sein, sich nicht genug in die Landespolitik eingeklinkt zu haben.

Ein Landesvorstand hat das Interesse der gesamten Partei und ihre Entwicklung im Kopf zu haben und sie zu führen, die Fraktion muss sich mehr um die tagesaktuelle Politik kümmern. Ich habe den Eindruck, dass beide Seiten sich der jeweils anderen Aufgabe selbst etwas mehr annehmen sollten.

Das zu tun, hatten Sie doch vier Jahre Zeit.

Das haben wir auch getan.

Nicht genug, sagt Birk. An den Beratungen zum aktuellen Nachtragshaushalt in der Fraktion hätte sich der Vorstand nicht beteiligt.

Wissen Sie, ob sich jemand mit Tagespolitik beschäftigt oder nicht, ist keine Frage, ob der Landesvorstand bei Fraktionssitzungen dabei ist.

Dennoch wird in der Öffentlichkeit fast nur eine Seite wahrgenommen: die Fraktion.

Ich bin nicht der Meinung, dass der Landesvorstand in der öffentlichen Präsenz mit der Fraktion konkurrieren sollte. Das Interesse richtet sich in einer parlamentarischen Demokratie nun mal vorwiegend auf das Parlament. Wenn man versucht, genauso häufig in der Zeitung zu sein wie die Fraktion, hat man von vornherein verloren und vergeudet nur Zeit. Das ist nicht nur bei den Grünen so, das ist in allen Parteien so.

Peter Strieder bei der SPD etwa und Christoph Stölzl bei der CDU agieren doch ausdrücklich als Parteivorsitzende.

Meinen Sie wirklich, dass Herr Strieder deshalb öffentlich wahrgenommen wird, weil er Landesvorsitzender ist? Doch wohl eher, weil er Senator ist.

Was auf Stölzl nicht zutrifft.

Gut, der wird vielleicht weniger über seine parlamentarische Arbeit wahrgenommen, aber er hat die Möglichkeit, seine Funktion als Abgeordneter hierfür zu nutzen.

Wer soll Ihren Job als Parteichefin zukünftig machen?

Dazu gebe ich keine Empfehlung ab.

Wer immer es sein wird, was sind die wichtigsten Aufgaben?

Die neuen Vorsitzenden müssen die Partei zusammenhalten, lebendig zusammenhalten. Wenn man so eine Aufgabe über Jahre machen will, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man stark integrieren können muss. Natürlich ist auch die programmatische Weiterentwicklung eine ständige Aufgabe. Da sind wir durch die sich überstürzenden Ereignisse mit dem Ende der großen Koalition etwas zurückgeworfen worden.

Wenn Sie integrative Fähigkeiten so betonen, hört sich das nun doch wie eine Personalempfehlung an. „Ich bin eher der integrative Typ“, hat sich ihr Co-Vorsitzender Till Heyer-Stuffer jüngst beschrieben.

Das haben Sie gesagt. Ich sage dazu nichts.

Was machen Sie als künftige Ex-Parteivorsitzende?

Ich habe ja verschiedene Berufe, bin Psychologin, Außenhandelsreferentin, habe als Journalistin gearbeitet, mich mit internationalem Projektmanagement beschäftigt. In diesen Bereichen werde ich verstärkt tätig werden.

Und was die Partei angeht? Einfaches Mitglied ohne jegliche Funktion?

Ich würde gerne bezogen auf Funktionen ein parteipolitisches Sabbatjahr nehmen – was leider formal nicht geht. Aber ich habe noch im Sommer eine Globalisierungs-AG gegründet, in der ich sicher weiter tätig sein werde. Genauso wie in einer grünen frauenpolitischen Initiative, die den Dialog mit Frauen außerhalb der Partei aus Medien, Kultur, Wissenschaft vorantreibt.

Ohne Parteiamt könnten Sie sich künftig auch um ein Parlamentsmandat bewerben.

Ich kann mir vieles vorstellen. Dass ich Landesvorsitzende wurde, habe ich auch nicht langfristig geplant. Ich bin offen für Entwicklungen. Klar ist auf jeden Fall: Ich bleibe in der Politik.