berliner szenen Ein Sandwich in Moabit

Krise in der Bäckerei

Was macht die denn? Rollt so komisch mit den Augen, die Frau Bäckereiverkäuferin. Genauer gesagt handelt es sich um eine Frau Kamps. Nun gut, ein Kaffee, ein Sandwich, so schwierig eigentlich nicht. Es dauert lang, länger. Hier essen oder mitnehmen? M-i-t-n-e-h-m-e-n. Was spricht die denn so komisch? Hier essen natürlich, ist kalt draußen. „Wollen Sie den Kaffee in eine Tasse oder in einen Plastikbecher?“ Tasse natürlich, Sitten sind das hier. Aber gut, Moabit ist ja auch etwas anders.

Sie serviert an den Stehtisch. Ihr Gesicht kommt näher, stark verbräunt, üppig geschminkt, die Lider klappern verzweifelt. „Ich werd wahnsinnig.“ Sie zieht die Nase hoch.

Ja, es riecht etwas komisch, süßlich, alt. In der anderen Ecke steht ein Mann. Eine jämmerliche Gestalt. Das Gesicht verwachsen, das Haar verklebt. Viele Löcher in der Hose, gewickelte Tücher an den Füßen. Langsam beißt er in ein Croissant. Kaut ausgiebig. „Verstehen Sie jetzt?“ Ja, ja, ah ja. Nun? Schultern zucken. Was soll man machen. Der Mann hat Hunger und verdient die Rast. Frau Kamps aber ist verzweifelt, flüchtet ins Hinterzimmer. Kommt zurück mit einer Dose Deospray. Und fuchtelt damit wild im Laden herum.

Mit Verlaub: Ihr Duft macht nichts besser. Eine neue Kundin kommt, riecht, weicht zurück, verschwindet. Frau Kamps’ Backen glühen rot vor Scham. Sie sprüht wieder in Richtung böser Mann. Der starrt ungerührt geradeaus auf seinen Teller, kaut genüsslich. Was soll ihn noch stören? Frau Kamps verlässt ihren Laden. Raucht draußen hektisch eine Kippe, läuft auf und ab. Sprüht sich Duft auf den Finger und reibt ihre Nase damit. Womit hab ich das verdient, zeigt ihr Gesicht. Mit nichts.

HENNING KOBER