Ein Geläuterter blickt zurück

“Nach meiner Kenntnis … sofort“: Maueröffnungsverkünder Günter Schabowski feiert am Sonntag 75. Geburtstag

Mit der fast beiläufigen Bemerkung, Reisen in den Westen würden ab sofort kurzfristig genehmigt, sorgte Günter Schabowski 1989 für eine Weltsensation. Auf einer Pressekonferenz am 9. November verkündete das Mitglied des SED-Politbüros ganz nebenbei das Ende der Mauer. Später sagte Schabowski, der am Sonntag 75 Jahre alt wird: „Niemand konnte sich die Konsequenz der Maueröffnung vorstellen.“

Heute sagt der einstige Spitzenfunktionär, er trauere der DDR nicht nach. „Es war mehr als eine Wende, es war der Vollzug einer Notwendigkeit.“ Als Erster aus der Parteispitze sprach Schabowski mit dem „Neuen Forum“ und versuchte, die Wende mitzugestalten. Diese Wandlung nahmen ihm nur wenige ab. Bei der Großdemonstration auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 wurde er ausgepfiffen.

Für die PDS, die ihn und Egon Krenz im Januar 1990 ausschloss, findet Schabowski nur noch harte Worte. Die „Knallköppe“ hingen stur an alten Vorstellungen und verurteilten ihn als Abtrünnigen. Er bekenne sich zu Mitverantwortung und moralischer Schuld. „Die DDR ist an sich selbst zu Grunde gegangen, weil sie ein untaugliches System darstellte.“ Es bringe nichts, „in dumpfer Verweigerung der Realität zu verharren“.

Als ihm neben dem letzten DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz vor dem Berliner Landgericht der Prozess gemacht wurde, räumte Schabowski ein, nichts könne rechtfertigen, dass auch nur ein einziger Flüchtling, „der uns den Rücken kehren wollte, dafür mit dem Leben bezahlen musste“. Damit ging er in dem Politbüro-Prozess auf deutliche Distanz zu Krenz, dessen Haltung er bis heute „einfach peinlich“ findet. Im August 1997 verurteilte das Landgericht Schabowski als Mitverantwortlichen für das innerdeutsche Grenzregime wegen Totschlags zu drei Jahren Haft. Der Ex-Politiker, der das Urteil akzeptierte, wurde im September 2000 begnadigt und nach weniger als einem Jahr aus dem offenen Vollzug in der JVA Hakenfelde entlassen.

Der in Anklam als Sohn eines Klempners geborene Schabowski übernahm 1978 die Leitung des Neuen Deutschlands. 1984 gelang dem Absolventen der Moskauer KPdSU-Parteihochschule und diplomierten Journalisten der Aufstieg ins Politbüro der SED, das höchste DDR-Machtgremium. Als Schabowski 1985 Chef der Berliner SED-Bezirksleitung wurde, gab er den Chefredakteursposten auf. Neben Krenz war Schabowski in der Endphase der DDR als Honecker-Nachfolger gehandelt worden. „Es geht nicht um Reue, sondern um Einsichten“, sagt Schabowski heute. Seinen Geburtstag will er mit der Familie so „unpathetisch wie möglich“ feiern. DPA