Blick ins schwarze Loch

Bremen kriegt letztmals Bundeshilfe und ist kein gutes Beispiel dafür, dass sich mit Zuschüssen, auf die derzeit Berlin klagt, ein Haushalt sanieren lässt
von STEFAN ALBERTI

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) dürfte in diesen Tagen nicht gerne nach Bremen schauen. Die Hansestadt bekommt zwar im neuen Jahr den letzten Teil jener Sanierungshilfen vom Bund, die auch Sarrazin gerne hätte. Nach zehnjähriger Finanzspritze aber sagt Bremen: Wir brauchen weiter Hilfe. Das könnte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wo Berlin auf Bundeshilfen klagt, nachdenklich machen, ob derartige Zuschüsse wirklich effektiv sind.

Bremen hatte wie das Saarland 1992 in Karlsruhe erfolgreich Bundeshilfen eingefordert. Das Gericht bestätigte eine „extreme Haushaltsnotlage“, auf die sich auch Sarrazin beruft. Seit 1994 floss Geld in die Hansestadt, inklusive der letzten Rate für 2004 werden es über 8,5 Milliarden Euro gewesen sein.

Sarrazins Bremer Kollege Ulrich Nußbaum gibt sich zwar überzeugt vom Nutzen der Hilfe. Es sei wirklich was gelaufen, meint der dortige Finanzsenator. Es habe sich was verbessert in Bremen. Dennoch kann der Stadtstaat auch in diesem Jahr seine laufenden Ausgaben nicht ohne Kredite decken - 345 Millionen fehlen dazu. Die Schulden sind zudem in den vergangenen zehn Jahren von über 8 auf 10 Milliarden Euro gewachsen.

Berlin hat seine Klage am Bundesverfassungsgericht im September 2003 eingereicht. Sarrazin erwartet bei einer erfolgreichen Klage knapp 35 Milliarden Zuschuss vom Bund, der seinerseits die Länder zur Kasse bitten wird. Mit diesem Geld soll Berlin von seinem immens hohen Schuldenberg herunterkommen. Derzeit ist Berlin mit über 51 Milliarden Euro in den Miesen. Ohne auch nur einen Euro davon zu tilgen, sind für diese Summe in diesem Jahr rund 2,4 Milliarden Euro Zinsen fällig. Das ist jeder neunte Euro, den das Land 2004 überhaupt ausgeben will.

Sarrazin geht davon aus, dass ein Land der Größe Berlins etwa 20 Milliarden Schulden schultern kann, nicht mehr. Entschiede das Bundesverfassungsgericht sofort zugunsten Berlins und würde der Bund sofort zahlen, wäre Berlin auf einem Schuldenstand von gut 16 Milliarden.

Das Dumme ist nur: Ein Karlsruher Urteil erwartet auch Sarrazin erst für Frühjahr 2005, Geld vom Bund erst 2 Jahre später. Denn das Urteil ist kein Titel, mit dem der Senator schlicht zur Bundeskasse gehen und sich die Milliarden auszahlen lassen könnte. Dazu müssen erst Gesetze geändert werden. Dass das noch vor der Bundestagswahl 2006 passiert, gilt als unwahrscheinlich.

Im Jahr 2007 aber werden Berlins Schulden auf fast 65 Milliarden und die jährlichen Zinszahlungen auf 3 Milliarden gewachsen sein. Das hieße: Berlin hätte immer noch 30 Milliarden Euro zu stemmen. Umso mehr setzt Sarrazin auf eine schnelle Entscheidung in Karlsruhe, wertet es als gutes Zeichen, dass das Gericht schnelle Stellungnahmen anforderte. Drängeln mag er nicht, wie er schon vor Monaten klarstellte: “Menschen, von denen man abhängt, sollte man niemals auf die Füße treten.“