Sprung aus der Kälte

Martin Schmitt war lange Zeit Liebling der Massen. Dann ging die Form und Sven Hannawald kam. Heute will er bei der WM zurück ins Rampenlicht

von KATHRIN ZEILMANN

Es ist, als habe man lange im Warmen gesessen und werde nun in die Kälte hinausgeschickt. Dorthin, wo es frostig ist und ungemütlich. Der Skispringer Martin Schmitt muss sich ein bisschen so fühlen: Seit der Saison 1998/1999 gehörte er zur vordersten Weltspitze. Er war der gefeierte Liebling der Massen, Millioneneinnahmen aus Werbeverträgen füllten sein Konto, der Postbote schleppte täglich Liebesbriefe von Fans ins heimische Tannheim. Kurzum: Martin Schmitt saß im Warmen.

Doch schon in der vergangenen Saison war er nicht mehr die unangefochtene Nummer eins im deutschen Team. Sven Hannawald wurde vom sensiblen Nervenbündel zum Siegspringer, Fans und Medien wandten sich mehrheitlich dem grazilen Vierschanzentourneesieger zu – und ab von Matin Schmitt, der plötzlich in der Kälte stand. In diesem Winter, der sportlich bisher alles andere als rund lief, konnte man das bisweilen sogar sehen: Manchmal nämlich, wenn er mal wieder nur einen mäßigen Sprung gezeigt hat, stand er im Auslauf und schüttelte ganz leicht den Kopf, so als würde es ihn frösteln und sich die Kälte im ganzen Körper ausbreiten. Martin Schmitt, das wird dann deutlich, ist ratlos.

Auch die Skisprung-Wettbewerbe bei der Nordischen Ski-WM in Val di Fiemme stehen für den viermaligen Weltmeister unter keinem guten Stern. Schmitt ist Titelverteidiger von der Großschanze (heute/18 Uhr/live in der ARD), aber derzeit glaubt niemand daran, dass er zum dritten Mal in Serie Gold gewinnen kann. „Martin bleibt noch hinter unseren und auch seinen Erwartungen zurück“, sagt auch Bundestrainer Reinhard Heß.

Im September musste sich Schmitt am Knie operieren lassen, dadurch konnte er erst verspätet in die Saison starten. „Wir dürfen ihn nicht unter Druck setzen“, hatte sein Heimtrainer Wolfgang Steiert damals gesagt. Das mag so sein, aber ein Athlet wie Schmitt macht sich schon selbst Druck. Ein vierter Platz beim Auftaktspringen der Vierschanzentournee hatte optimistisch gestimmt und darauf hingedeutet, dass Schmitt bald zu alter Stärke zurückfinden würde. Aber diese Platzierung konnte er bis heute nicht wiederholen, stattdessen sprang er im Mittelmaß. „Ich denke jetzt nur noch von Wettkampf zu Wettkampf“, sagt Schmitt.

Das deutsche Trainerteam versucht mit allerlei psychologischen Tricks Martin Schmitt wieder zu alter Stärke zu verhelfen: Es wurden neue Anzüge bestellt, die sich zwar angeblich nur „durch Kleinigkeiten“ (Heß) von der bisherigen Arbeitskleidung unterscheiden. Aber für die Psyche soll das neue Gewand in schlichtem Schwarz helfen, weil die Österreicher mit ihrem zu „Wunderanzügen“ geadeltem Material angeblich im Vorteil seien und andere Springer sich benachteiligt fühlten. Andererseits weiß Schmitt, dass ein Anzug allein ihn nicht zu den Weiten der Konkurrenz tragen wird.

Vor den heutigen Einzelwettkämpfen von der Großschanze und am Sonntag im Team will Schmitt keinesfalls schlechte Laune aufkommen lassen, niemand soll auf den Gedanken kommen, er hadere mit sich selbst und ließe sich durch seine Leistungen, die sich im 24. Rang im Gesamtweltcup niederschlagen, in ein mentales Tiefe ziehen. „Ich sage mal, das wird eine gute WM. Mein Ziel ist ein Platz unter den ersten zehn“, sagt er und versucht dabei fröhlich zu sein. Allerdings bleibt es beim Versuch, die mageren Ergebnisse im Weltcup stimmen doch negativ. „Brauchbare Sprünge“ wolle er zeigen, auch Wolfgang Steiert ermutigt ihn:„Man darf Martin nie abschreiben. Die WM ist für ihn etwas Besonderes.“

Es ist die Technik, die Schmitt nach Operation und Pause fehlt und die, wie der 24-Jährige selbst sagt, „irgendwo schlummert“. Er muss sie nur wiederfinden. Vielleicht hilft ihm dabei die Erinnerung an jene Tage von 1999 in der Ramsau und 2001 in Lahti, als Martin Schmitt der gefeierte Star der Weltmeisterschaften war. „Daran denke ich oft zurück“, sagt er. Es waren sehr warme Tage für Martin Schmitt.