„Davon ist noch nichts umgesetzt“

Hürden für Volksbegehren bleiben hoch, auch wenn SPD und PDS per Koalitionsvertrag mehr direkte Demokratie versprachen. SPD: Wir hatten zu viele andere Probleme

Fast 250.000 Wähler, die sich binnen zwei Monaten mit Unterschrift und Adresse registrieren lassen müssen; Unsicherheit darüber, ob über das Anliegen der „Initiative Berliner Bankenskandal“ überhaupt abgestimmt werden dürfte: Nach dem, was die Regierungsparteien SPD und PDS in ihrem Koalitionsvertrag vor zwei Jahren vereinbarten, hätte die Ausgangslage für das Volksbegehren anders aussehen sollen.

Denn in dem rot-roten Grundlagenpapier heißt es: „Direkte Demokratie auf Landesebene soll durch eine Vereinfachung der formalen Voraussetzungen für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide (vereinfachte Sammlungsbedingungen, angemessene Fristen) erleichtert werden.“ Zudem wollten die Koalitionsparteien anstreben, die Quoren abzusenken. SPD und PDS wollten außerdem prüfen, die Möglichkeiten für Volksbegehren zu erweitern.

„Davon ist noch nichts umgesetzt“, sagt Hans-Georg Lorenz, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Nicht allein Beschlüsse fehlen: „Es gibt bei uns in der Fraktion keine konkreten Vorschläge.“ Lorenz will das nicht als fehlenden politischen Willen verstanden wissen: „Wir hatten so viele andere Probleme, dass das ein wenig in den Hintergrund geraten ist.“

In der PDS-Fraktion will man zunächst auf Bezirksebene mehr direkte Demokratie verankern, sich dann um Veränderungen bei Volksbegehren und -entscheiden für ganz Berlin kümmern. Zu mehr würden die Arbeitskapazitäten schlicht nicht ausreichen, sagt ihr rechtspolitischer Sprecher Klaus Lederer. „In dieser Legislaturperiode, also bis 2006, wird das aber noch was werden.“ Auf unterer Ebene will seine Fraktion noch in diesem Jahr den „bezirklichen Bürgerentscheid“ einführen, den die Landesverfassung bislang nicht kennt. Den soll es geben, sobald es nur ein Prozent der Wahlberechtigten verlangen. Themen könnten Fahrradwege oder der Schulentwicklungsplan sein.

Befürworter direkter Demokratie halten niedrige Schwellen für Bürgerbefragungen und Volksabstimmungen für entscheidend. Hohe Anforderungen würden den Wählern nahe legen, die Initiative sei von vorneherein chancenlos, heißt es bei der Gruppe Mehr Demokratie e. V.

In der Schweiz, Vorzeigeland direkter Demokratie, ist eine Abstimmung über eine Verfassungsänderung auf Bundesebene bereits fällig, wenn 100.000 der rund 4,7 Millionen Stimmberechtigten es verlangen – wenig mehr als 2 Prozent. Bei Bundesgesetzen oder völkerrechtlichen Verträgen sind sogar nur 50.000 Unterschriften nötig. Zum Vergleich: Um in Berlin eine solche direkte Entscheidung auf den Weg zu bringen, müssen 10 Prozent zustimmen. STEFAN ALBERTI