Eisenbahn statt Airbus

Mit Metropolitan und Thalys nach Paris und von dort in die Französischen Alpen. Die schnelle Reise in den beiden unterschiedlichen Hochgeschwindigkeitszügen ist bislang leider nur wenig vernetzt

Bis zum einheitlichen Ticket müssen sich Bahnkunden noch in Geduld üben

von TILL BARTELS

Was, du fliegst nicht? – Nein, ich fahre mit dem Zug nach Paris. – Aber das dauert doch ewig!, nörgeln meine Hamburger Freunde. Außerdem sind die Schlafwagen uralt. – Nein, ich reise tagsüber und kombiniere zwei Hochgeschwindigkeitszüge miteinander: 6.15 Uhr ab Hamburg-Hauptbahnhof, Ankunft am Gare du Nord um 14.05 Uhr. Nur kaum einer kennt die Kombination, die Namen der modernsten Züge Mitteleuropas.

Was verbirgt sich hinter den Begriffen „Metropolitan“ und „Thalys“? Bei der Suche im Internet erlebe ich die erste Überraschung. Fehlanzeige auf der Bahn-Homepage: Preisauskunft nicht möglich, heißt es auf dem Bildschirm. Also Anruf in einem speziellen Callcenter. Doch mit einem Telefonat ist das Ticket für die High-Tech-Zge nicht erstanden. Wer von der Alster an die Seine möchte, stößt auf bahnbürokratisches Mittelalter: zwei Telefonnummern, zwei separate Buchungen, zwei getrennte Fahrscheine. Zuerst buche ich die Strecke Köln–Paris. Der günstige Minipreis beträgt 75 Euro pro Person. Bei der obligaten Sitzplatzreservierung werde ich allerdings belehrt: „Was, Sie wollen auch noch zusammensitzen?“ Sorry, ich bin kein Geschäftsmann, sondern reise mit Familie. „Dat geht aba nich“, sagt die resolute Dame. Warum so kompliziert? „Ihr Kind ist doch ’ne andere Buchungsklasse.“

Problemlos dagegen das Callcenter des Metropolitan für die Etappe Hamburg–Köln. Diese Fahrkarte braucht nicht mehr ausgestellt zu werden. Ich notiere nur Wagen- und Platznummern, der Fahrpreis wird per Kreditkarte einfach abgebucht: „Ticketloses Reisen“ nennt sich das heute.

Es ist noch dunkel. Auf Gleis 13 des Hamburger Hauptbahnhofs steht der 180 Meter lange Silberzug. Seit August 1999 pendeln zwei Zugpaare des Metropolitan bis zu viermal täglich zwischen Hamburg und Köln, mit nur einem Halt in Essen und Düsseldorf. Anders als der Intercity mit über vier Stunden Fahrzeit legt der edelste Zug der Bahn die Strecke in nur dreieinhalb Stunden zurück. Wir steigen in den Clubwagen: helles Holz, schwarze Ledersitze und DVD-Player zum Ausleihen. Es werden kostenlose Zeitungen, freie Getränke und später sogar Snacks serviert. Aber nur zwei Tabletts für drei. Für Kinder gibt’s nichts. Basta. Dabei entdeckte ich vorher in der geräumigen Toilette mit selbstreinigender Klobrille eine kinderfreundliche Rarität: einen hygienisch einwandfreien Wickeltisch. Für den Fall, dass die allein erziehende Businessfrau auf dem Weg zum Termin in Düsseldorf ihrem Baby die Pampers wechseln muss?

Nach dem Umsteigen in Köln sitzen wir in den roten Plüschpolstern des Thalys. Die 2. Klasse heißt hier „Confort 2“. Fast so gemütlich wie in einem Kinosessel, nur enger als in jedem ICE. Die Armlehnen sind abgewetzt, denn schon seit 1997 verbindet Thalys, ein Tochterunternehmen der französischen und belgischen Staatsbahnen, Köln und Aachen mit Lüttich, Brüssel und Paris. Ab Brüssel wird der Waggon voll, die Leute stehen trotz Reservierungspflicht im Gang. Der dunkelrote Zug mit 377 Sitzplätzen gibt Gas wie ein Jumbojet beim Start. Mit 300 Stundenkilometern rasen wir auf der Überholspur und lassen die Limousinen auf der parallel verlaufenden Autobahn hinter uns.

Der Thalys ist ein echter Europäer. In vier Sprachen erfolgen alle Ansagen. Der Hochgeschwindigkeitszug auf Basis des französischen TGV der dritten Generation wurde für vier verschiedene Strom- und Signalsysteme entwickelt und verbindet Frankreich, Belgien, Deutschland und die Niederlande. Wie eine S-Bahn pendelt er alle 30 Minuten zwischen Brüssel und Paris. So erfolgreich, dass Air France die Flüge auf dieser Strecke längst eingestellt und im letzten Jahr 180.000 Passagiere per Codeshare auf Flughöhe null umgebucht hat. Der Zug ist pünktlich. 85 Minuten nach dem letzten Stopp in Brüssel schweben wir in Paris ein, in der hellen Bahnhofshalle des Gare du Nord.

Geht es nach dem Willen der Thalys-Manager, hat der Eurozug hoch gesteckte Ziele für die Zukunft. In Gegenrichtung soll der Thalys ab Köln über die Neubaustrecke in nur einer Stunde bis nach Frankfurt fahren. Michel Jedot, stellvertretener Geschäftsführer von Thalys, macht Druck und will den Airlines Passagiere abjagen. „Wir wollen zeigen, dass wir auch niedrige Preise bieten können und bereit sind, auf dieser Strecke in Konkurrenz zum Flugzeug zu treten.“ Doch zunächst gilt es, die immensen Probleme bei der Technik und beim Ticketing zu lösen. „Hier müssen wir dringend mit der deutschen Bahn diskutieren“, so Jadot.

Die Vernetzung lässt auf sich warten. Bis zum einheitlichen Ticket für High-Speed-Züge müssen sich die Bahnkunden noch in Geduld üben. Dabei ist die Reise mit Met und Thalys bequem, nur wird sie von keiner Marketingkampagne propagiert.

Seit diesem Winter haben beide Züge unerwartete Konkurrenz bekommen. Neue Billig-Airlines sind mit Lockvogelangeboten für Frühbucher durchgestartet. Hapag-Lloyd Express fliegt zum Taxipreis ab 19,99 Euro von Hamburg nach Köln, Germanwings ab 19 Euro von Köln nach Paris. Doch der ökologische Preis ist ein höherer, darüber wird nicht debattiert.

MetropolitanCallcenter: Tel. (0 18 05) 90 58 05, www.met.de. Hin- und Rückfahrt Hamburg–Köln ab 98 € (74 € mit Bahncard) im Traveller-Bereich. Thalys Callcenter: Tel. (0 18 05) 9 21 50 00, www.thalys.de, Hin- und Rückfahrt Köln–Paris ab 75 €