Being Michael Jackson

Am Samstag strahlt RTL die umstrittene Dokumentation „Weltsensation! Michael Jackson – hautnah“ aus (21.30 Uhr). Es ist manchmal bizarr, manchmal berührend – aber nicht wirklich skandalös

von DETLEF KUHLBRODT

Das Leben ist nicht leicht für Michael Jackson: Sein Berlinbesuch im Winter letzten Jahres ging gründlich daneben, im Dezember wurde er von einer Spinne gebissen, das Auktionshaus Sotheby’s verklagt ihn gerade, weil er rund 1,3 Mio Dollar für Gemälde nicht bezahlt hat – und das Medienecho auf die „Living with Michael Jackson“-Dokumentation, die Anfang Februar schon in England und den USA ausgestrahlt wurde und heute bei RTL läuft, war verheerend.

„Bislang konnte man Jacko für ein bisschen verrückt halten. Doch nach diesem Film weiß man: Er ist sehr verrückt“, schrieb die Times.

25 Millionen Menschen haben die Dokumentation in Großbritannien und den USA gesehen. Doch der 44-jährige Popstar, der in den letzten Jahren überall für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, als sei er längst schon tot, erklärte nach der Sendung, er sei noch nie so betrogen worden: Martin Bashir, der britische Journalist, der Jackson acht Monate lang begleiten durfte, habe ein „völlig verzerrtes Bild“ geliefert. Um dieses Bild wieder zu korrigieren, werde er, Jackson, einen eigenen zweistündigen Film veröffentlichen, der die Wahrheit zeige, von seinem Privatkameramann parallel zu den Aufnahmen Bashirs gemacht.

Denn Bashir, ein gemütlich-beleibter Journalist, der es einerEmpfehlung von Uri Geller zu verdanken hatte, Jackson ganz privat drehen zu dürfen, hatte in der Doku ein gewisses Befremden über Jackos Verhältnis zu Kindern geäußert. Im „Zweitfilm“, so Jackos Management, sage Bashir dafür, was für ein wunderbarer Vater Michael Jackson doch sei und wie ungerecht er, Bashir, es fände, dass der Star immer wieder falschen Verdächtigungen ausgesetzt sei.

Während „Living with MJ“ für fast 4 Millionen Dollar an die Disney-Senderkette ABC verkauft worden war, brachte „The making of ‚Living with MJ‘“ immerhin noch 2 Millionen Dollar, bezahlt von Ruopert Murdochs US-Sender Fox. Soweit, so gut. Ein inszeniertes Medienspektakel, von dem alle etwas haben: Martin Bashir, Michael Jackson, dessen Firma von einem Anstieg der Verkaufszahlen seiner Platten um bis zu 1.000 Prozent berichtet – und nicht zuletzt auch die Zuschauer.

Denn die Dokumentation ist interessant, berührend gar in einigen Passagen und manchmal auch lustig, etwa wenn man Michael Jackson beim Einkaufen in seinem Lieblingsladen in Las Vegas zuschaut. Eskortiert von einem Tross von Getreuen geht er hastig durch den Laden, zeigt auf dies oder jenes goldene Kitschstück, der Geschäftsführer grinst wie ein Honigkuchenpferd, und Jackson hat innerhalb weniger Minuten Unsinn für eine 250.000 Dollar gekauft. Oder er steht in seinem absurden „Neverland“ mit seinen Karussels, Zoos, Jahrmarktsbuden, Kindereisenbahnen und erklärt, dass es seine Lieblingsbeschäftigung sei, auf Bäume zu klettern. Spätestens jetzt hält man Bashir für einen finsteren Normalitätsterroristen, weil er nicht versteht, dass es Leute gibt, die es schöner finden, auf Bäume zu klettern als Sex zu haben.

Allein die Dramaturgie der Dokumentation ist etwas hausbacken. Die anstößigen Passagen gibt es erst im letzten Drittel des Films: die bizarren Bilder von Michael Jacksons Berlinbesuch, wo er sein Baby aus dem Fenster hielt und es beinahe fallen ließ. Der Zoobesuch mit den beiden Kindern Prince Michael I und Paris; Gesprächspassagen über Schönheitsoperationen – eine einzige an der Nase – und sein Verhältnis zu Kindern. Händchenhaltend mit einem 12-jährigen Jungen erzählt er, dass er häufig Kinder in seinem Bett übernachten lassen würde, ihnen bei Keksen Geschichten vorlese, er verstehe nicht, was daran anstößig sei. „Oh, come on …“

Am Ende des Films ist man sicher, dass Michael Jackson noch nie in seinem Leben Sex gehabt hat. Aber gut tanzen, das kann er.