christoph schultheis
: Die Juden und das Ordnungsamt

Wer hätte geahnt, dass Ordnungsamtsbeamte unsympathisch sind? Oder dass AZ Media einmal eine gute Dokumentation produzieren würde?

Wenn dieses Deutschland irgendwo am schlimmsten ist, dann wohl beim Ordnungsamt. „ORDNUNGSAMT“ steht weiß auf den blauen Jacken der Ordnungsamtbeamten. Und sie tragen Schnurrbärte, gern auch gepflegte Schnurrbärte, solche mit Wichse in den Spitzen. Ganz und gar unangenehme Menschen sind das. Eine Mischung aus Türsteher und Else Kling. Widerlich!

Und dabei sind sie auch noch selbstgefällig, diensteifrige Einmischer – und obendrein frustriert, au Backe! Was allerdings auch kein Wunder ist bei dem Scheißjob. Tag für Tag fahren sie mit ihren Ordnungsamtsautos durch Städte wie Magdeburg oder Düsseldorf und lassen Hunde anleinen, weil das so Vorschrift ist, kontrollieren am Glühweinstand die Ausweise der Glühweintrinker, warten hinter dem türkischen Mann, der irgendwo mal ganz dringend in die Büsche musste, bis er abgeschüttelt hat, und kassieren anschließend 15 Euro Strafe. Oder sie fahren irgendwo zu einer Bushaltestelle, hinter der eine alte Jeans und ein wenig Müll rumliegt, weil eine aufgebrachte Anwohnerin so was ganz scheußlich findet. Dann zucken sie mit den Schultern und verdrehen hinterrücks die Augen, diese miesen, kleinen Ordnungsamtbeamten, die am Ende doch immer eine Polizeifunkstreife anfordern müssen, weil keiner sie ernst nimmt mit ihren Ordnungsamtjacken und Schnurrbärten.

Stattdessen müssen sie sich immer wieder beschimpfen lassen, immer wieder diese Beleidigungen anhören. Dabei, sagen sie kleinlaut, machen sie doch nur ihren Job. Kurzum: Der hässliche Deutsche ist kein Klischee, er arbeitet beim Ordnungsamt! (Alle Urteile und Meinungsäußerungen in den obigen Zeilen entstanden ausschließlich auf Grundlage zweier TV-Reportagen der vergangenen Wochen, dem „Taff spezial – Die Aufpasser“ vom vergangenen November auf Pro 7, und „Extra – Amts-Kontrolleure“ vom 29. 12. 2003, RTL.)

Der deutsche Jude hingegen … Was wissen wir schon über den? Wir wissen ja nicht einmal, wie viel Juden heutzutage in Deutschland leben. Sechs Millionen? Hundertzwanzigtausend? Direkt im Anschluss an den Ausflug aufs Deutschlandsamt jedenfalls lief auf RTL am vergangenen Montag ein Magazin über jüdisches Leben in Deutschland namens „glaubens-Trend“ – hergestellt von der AZ Media AG, die üblicherweise mit affirmativen TV-Produkten wie „money-“ oder „future-Trend“ und Moderatoren wie Percy Hoven glänzt. Doch am Montag war die (laut AZ Media) „echte Innovation in der deutschen Fernsehlandschaft“ alles in allem tatsächlich eine prima Sache. Hier und da noch etwas unbeholfen, aber ambitioniert! Eine echte Innovation, über die sich noch einiges sagen ließe! Leider fehlt hier dazu der nötige Platz. Sie sehen’s ja selbst. Und wer hat Schuld? – Na, wer schon: die blöden Typen vom Ordnungsamt da vorne!