Der schöne Traum vom Frieden am Äquator

Außenstaatssekretärin Kerstin Müller wünscht sich Deutsche bei einer UN-Mission im Sudan. Aber warum im Sudan?

Zu Beginn der Kolonialära stand ein Teil des Sudan unter Verwaltung eines Deutschen. Der Schlesier Eduard Schnitzler regierte 1876–88 unter dem Namen Emin Pascha die ägyptische Provinz Äquatoria, die Teile des Südsudan und Grenzbereiche des nördlichen Uganda und des heutigen kongolesischen Distrikts Ituri umschloss. Als Sudan die ägyptische Herrschaft kurzzeitig abschüttelte, verschwand Äquatoria von der Landkarte und Emin Pascha wurde von einer britischen Expedition evakuiert.

Die deutsche Faszination für die Region währt bis heute. Kerstin Müller, grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt, bringt eine deutsche Beteiligung an einer UN-Blauhelmmission im Sudan ins Gespräch. Mit ihrem in der Berliner Zeitung Ende Dezember geäußerten Wunsch nach einer möglicherweise „nicht nur zivilen“ Beteiligung verstärkte sie ihr Plädoyer für einen „nicht unbedingt militärischen“ deutschen Sudan-Einsatz, das sie bereits am 10. Dezember nach einer Ostafrikareise abgab.

Nun beginnt eine ähnliche Diskussion wie im Mai 2003, als es um einen anderen Teil des ehemaligen Äquatoria ging – Ituri im Kongo. Die Fronten sind ähnlich wie damals: Das Auswärtige Amt prescht vor, das Verteidigungsministerium schweigt, CDU und FDP finden alles unsinnig. In Ituri beschränkte sich die Bundeswehr schließlich auf „logistische“ Hilfe, wie Mineralwasserflüge nach Uganda für die französische Kongo-Truppe.

Wird es im Sudan ähnlich laufen? Noch lässt sich das nicht sagen. Eine UN-Mission im Sudan gibt es erst, wenn die Regierung in Khartum und die südsudanesischen Rebellen offiziell Frieden schließen. Vor Ende Januar ist damit kaum zu rechnen. Erst dann könnte der UN-Sicherheitsrat eine Beobachtermission beschließen. Von UN-Kampftruppen ist dabei keine Rede, nur von Beobachtern ohne Eingreifmandat. Müller selbst betont: Es werden von deutscher Seite vor allem zivile Experten gebraucht.

Darüber laut nachzudenken, ist nicht falsch. Seltsam ist nur, dass zugleich der Leiter der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo auf taube Ohren stieß, als er in Berlin um deutsche Experten für den Kongo bat. Wieso diskutiert Deutschland über einen Beitrag zu einer nicht existierenden UN-Mission, nicht aber über einen zu einer existierenden gleich nebenan?

Die Sudan-Debatte ist auch in anderer Hinsicht weltfremd. Ein Sudan-Friedensabkommen zu Weihnachten 2003 sei realistisch, sagte Müller am 10. Dezember. Jetzt ist 2004, ein Datum für ein Abkommen gibt es nicht. Sudans Regierung ruft stattdessen zum totalen Krieg gegen neue Rebellen im Westen des Sudan, während das sudanesische Parlament den geltenden Ausnahmezustand – der nach einem Friedensschluss enden soll – um ein Jahr verlängert hat.

Deutsche Beobachter im Sudan unter solchen Umständen? Schon Emin Pascha interessierte sich vor allem für Flora und Fauna, als sein Reich längst im Krieg versunken war. Der Name Äquatoria lebt nur noch im Namen einer südsudanesischen Provinz weiter. Der Äquator liegt übrigens mehrere hundert Kilometer weiter südlich.

DOMINIC JOHNSON