Ermittler suchen Parmalat-Milliarden

Staatsanwaltschaft verhört sieben inhaftierte Manager des Milchriesen. Ein achter will sich stellen, bekommt aber keinen Flug nach Italien. Wirtschaftsprüfer von Grant Thornton schwer belastet. US-Börsenaufsicht SEC schaltet sich ein

ROM taz ■ Die Staatsanwaltschaften Parma und Mailand vernehmen seit gestern die an Silvester festgenommenen sieben Manager des Parmalat-Konzerns. Ihre Verhaftungen waren kaum überraschend; schließlich ist der schon am letzten Samstag festgesetzte Parmalat-Patron der Bildung einer kriminellen Vereinigung beschuldigt. Die Mitglieder dieser Vereinigung konnten ihre eigenen Namen seit Tagen schon in der Presse lesen, und auch ihre bisher schon gezeigte Aussagebereitschaft nützte ihnen wenig.

Die beiden früheren Finanzchefs Fausto Tonna und Luciano Del Soldato sollen im Auftrag Calisto Tanzis über die Jahre hinweg systematisch jene Bilanzmanipulationen vorgenommen haben, die das Milchunternehmen jetzt mit einem Fehlbetrag von 10 bis 13 Milliarden Euro in den Ruin trieben. Unterstützt wurden sie von zwei mit der Fälschung der Dokumente betrauten Buchhaltungsangestellten, dazu vom Rechtsanwalt Giampaolo Zini – er ersann das Dickicht von Offshore-Töchtern, in denen die realen Finanzmittel auf Nimmerwiedersehen verschwanden und im Gegenzug fiktive Milliardenbeträge zirkulierten. Auch zwei Mitarbeiter des italienischen Büros der amerikanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton hätten seit 1998 als Ratgeber bei den Manipulationen mitgewirkt und insbesondere die Gründung der Bonlat angeregt, jener Tochtergesellschaft, die zum Bermuda-Dreieck der Parmalat-Milliarden werden sollte, sagte Del Soldato aus. Beide erklärten aus der Haft heraus allerdings, sie hätten immer korrekt gehandelt, und auch Grant Thornton gab eine Ehrenerklärung für sie ab.

Ein achter per Haftbefehl Gesuchter, der Chef von Parmalat Venezuela, ist dagegen noch im Ausland auf freiem Fuß. Er ließ erklären, er wolle sich stellen, habe aber „noch keinen Platz im Flugzeug gefunden“.

Auch Calisto Tanzi selbst muss sich auf weitere Verhöre gefasst machen. Seine bisherigen Aussagen werten die Ermittler bestenfalls als Teilgeständnis. Sie gehen davon aus, dass Tanzi weit mehr als die eingestandenen 500 Millionen Euro aus den Parmalat-Kassen abgezweigt hat. Und sie fragen sich, ob nicht auf irgendwelchen Auslandskonten noch reichlich Cash gebunkert ist. Ihr Verdacht wird nicht nur durch die letzte, nach Südamerika führende Reise genährt, die Tanzi direkt vor seiner Verhaftung gemacht hatte und die angeblich bloß dazu diente, ein wenig auf den Galapagosinseln auszuspannen.

Auch ein letzter mysteriöser Rettungsversuch für Parmalat Ende November harrt der Aufklärung. Nach Berichten der Tageszeitung Corriere della Sera sollen damals plötzlich 3,7 Milliarden Euro aufgetaucht sein, die – zusammen mit dem ebenfalls milliardenschweren Engagement eines „Weißen Ritters“ – den Zusammenbruch in letzter Minute abwenden sollten. Den Staatsanwälten stellt sich jetzt die Frage, ob dieser riesige Betrag ebenfalls eine pure Schwindelei war – oder ob Tanzi und Kumpanen diese Summe beiseite geschafft haben.

Auch die US-Börsenaufsicht SEC hat mittlerweile ein Verfahren gegen Parmalat eingeleitet und einen Vertreter nach Italien entsandt. Parmalat habe US-Anleger dazu bewegt, 1,5 Milliarden Dollar in Anleihen der Firma zu investieren, während die Unternehmensspitze zugleich „einen der größten und frechsten Finanzbetrugsfälle in der Geschichte“ organisiert habe.