Fit für Einsätze in aller Welt

Verteidigungsminister Struck treibt den Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee weiter voran – und damit die Abkehr vom Verfassungsauftrag der Landesverteidigung. Den Fortbestand der Wehrpflicht will er dennoch festschreiben

aus Berlin BETTINA GAUS

Verteidigungsminister Peter Struck hat gestern neue Maßnahmen verkündet, mit deren Hilfe die Bundeswehr noch stärker als bisher von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee umgebaut werden soll. Er erwarte, dass in den kommenden Jahren der Schwerpunkt der Aufgaben „im multinationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen“ liegen werde, erklärte Struck. Die Landesverteidigung habe „nicht mehr erste Priorität“.

Das Grundgesetz sieht den Aufbau von Streitkräften zwar ausschließlich zum Zwecke der Landesverteidigung vor – aber wo kein Kläger, da kein Richter. Da alle Bundestagsfraktionen die neue Aufgabenstellung der Armee grundsätzlich für richtig halten, werden die Äußerungen von Struck vermutlich keine Verfassungsdiskussion auslösen. Eine eher beiläufige Bemerkung machte deutlich, wie eng Diplomatie und Militär in den Augen des Ministers mitterweile verknüpft sind: Die Umstrukturierungen sollten gewährleisten, so Struck, „dass die Bundeswehr leistungsfähig und damit Deutschland auch außenpolitisch handlungsfähig bleibt“.

Insgesamt sollen in den kommenden zehn Jahren mehr als 3,2 Miliarden Euro erwirtschaftet und in neue Projekte investiert werden. Weitere Standortschließungen sind nicht auszuschließen. Struck betonte allerdings, den gegenwärtigen Umfang der Streitkräfte nicht reduzieren zu wollen, und er ließ auch erkennen, dass er an der Wehrpflicht festhalten will. Der rot-grüne Koalitionsvertrag sieht eine ergebnisoffene Prüfung der Möglichkeit eines Umbaus in eine Freiwilligenarmee vor. Der Minister erklärte jedoch gestern, er wolle spätestens bis zum Frühjahr 2004 eine Entscheidung über Dauer und Fortbestand der Wehrpflicht im Bundestag herbeiführen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist zu erwarten, dass durch einen solchen Beschluss die Beibehaltung der Wehrpflicht mittelfristig festgeschrieben würde.

Im Einzelnen ist unter anderem geplant, auf den beabsichtigten Kauf von 30 Unterstützungshubschraubern „Tiger“ zu verzichten. Die Marine wird zehn Schnellboote abschaffen. Außerdem sollen bis zum Jahr 2005 bis zu 90 Kampfflugzeuge vom Typ „Tornado“ früher als ursprünglich vorgesehen außer Dienst gestellt werden. Die dadurch eingesparten Mittel werden, wie Struck ankündigte, vor allem in Informationstechnologie, in die Beschaffung eines gepanzerten Transportflugzeugs und in bessere Fahrzeuge für Spezialkräfte investiert.

Auf Nachfrage nahm Struck auch zur Lage in Afghanistan Stellung. Man müsse davon ausgehen, dass es „einen hohen Gefährdungsgrad gebe“, sagte der Minister, und er wolle „keineswegs“ ausschließen, dass sich die Situation durch einen Irakkrieg weiter verschärfen könnte. Es sei denkbar, dass die extremistischen Gegner der UN-Schutztruppe in Kabul dadurch Zulauf und Unterstützung für Anschlagspläne gegen die Soldaten bekämen. In einem solchen Fall könnten die Mitarbeiter ziviler Hilfsorganisationen und die Militärs binnen einer Woche mit US-Hilfe evakuiert werden.