Bizarre Wildwest-Arenen

Kaum deutbares, planvoll verworrenes Geschlechtertheater: Inge Priess‘ Bilderkomplex „Clan der Saguarinos“ in der art agents gallery erzählt verschlungene Geschichten und beantwortet keine psychologischen Fragen

Frau im Pferdekostüm – und der Macho lauert jenseits des Bildes: Ein Versteckspiel, das sich selbst multipliziert

Durch eine sonnige, aber karge Landschaft geht einsam, aber nicht unglücklich eine Frau. Sie ist mit einigem Aufwand, aber doch unvollkommen als Pferd verkleidet. Ein seltsames Gemälde. Noch seltsamer ist, dass sie an Zügeln trottet, deren Halter außerhalb des Bildes nur vermutet werden kann. Fügt sich da eine Frau den Macho-Ideen eines Mannes? Inge Priess, die Schöpferin des Bildes aus der Reihe Clan der Sanguarinos, derzeit zu sehen in der art agents gallery, hat eine andere Deutung: Hinter der führenden Frau kommt ihr Pferd, dem sie in vorbildhafter Anpassung vormacht, was es noch zu lernen hat.

Der Trapper ringt derweil mit einem mannshohen Bären, kommt ja immer wieder vor, wissen alle schon seit Kindertagen aus Karl May. Doch auch was sich auf diesem Bild mit der fein gemalten Berglandschaft genau abspielt, bleibt unklar: Unter den Bärentatzen sind ansatzweise Schuhe zu erkennen, und in Herzhöhe des aufgerichteten Tieres sieht man durch ein kleines Loch im Fell das Gesicht einer Frau. Möglich wäre es, dass das Paar gar nicht aggressiv gegeneinander kämpft, sondern sich sogar zu stützen versucht – oder gar Dritten, aus welchem Grund auch immer, eine Inszenierung vorspielt. Der scheinbare Überlebenskampf wird zu einem bizarren Geschlechtertheater in der weiten Landschaft der Klischees.

Mimikry und Rollenspiel sind Schüsselbegriffe für alle Bilder dieser Ausstellung bei den art agents in Ottensen. Denn auch wenn es sich bei allen Gemälden und Aquarellen sofort erkennbar um Szenen aus dem Wilden Westen handelt: Um Cowboys geht hier ebenso wenig wie bei der bekannten Zigarettenreklame. Aber es ist auch keine bloße Aneinanderreihung von Versatzstücken aus der Kindheit der Hamburger Künstlerin, die weiland die beiden Brüder beim Indianerspiel beobachtet oder im Fernsehen Bonanza und High Chaparral gesehen haben mag. Vielmehr ist das, was in der Verkleidung dieser gleich doppelt erdachten Welt daherkommt, eine allegorische Formulierung der grundsätzlichen Verfasstheit menschlicher Existenz.

Das ist nicht neu, das wusste Hollywood auch schon und bot in seinen Pferdeopern Fort Laremy als neuzeitlich populäres Troia an. Bei Inge Pries aber wird das Pferd eher zum Narrenschiff, und der mythische Westen ähnelt eher der Vorstellungswelt des europäischen Manierismus – sogar in der Malweise.

Diese Bilder führen durch ihre mit vertrackter Phantasie verstrickten Verwicklungen in einen nicht ganz deutbaren, tragikomischen Kosmos, in dem zumal das männliche Gebaren nicht besonders gut wegkommt. Denn würde die Konstruktion der „Selbstschussanlage“ funktionieren, würde sich der darin sitzende Mann als erstes selbst zerfetzen.

Doch bei aller Kritik und bei allem Wörtlichnehmen eines bekannten militärischen Begriffs: Der in der Konstruktion dargestellte Revolver ist – angeblich nur aus Unkenntnis der Malerin – so beschaffen, dass er so niemals funktionieren würde. Im Clan der Saguarinos, wie der Titel des in einjähriger Arbeit erstellten Bilderkomplexes lautet, sind Eulenspiegeleien eben ganz normal. Und dass mitunter das absurdeste Verhalten nicht auf das Land der kleinen Saguaros, der Säulenkakteen, beschränkt erscheint, ist das, was mit einem erkennenden Lächeln zu quittieren durchaus nicht falsch ist.

Hajo Schiff

Inge Priess: Der Clan der Saguarinos. Dazu im Projektraum aus Ludwig Seyfarths Reihe „Träume von Räumen“ die musikalische Installation Augenblick des in Berlin lebenden Niederländers William Engelen. art agents gallery, Kopstockplatz 9–11. Mi–Fr 11–18, Sa 11–14 Uhr; noch bis 31. Januar