hauptstadt
: Der Traum vom besseren Berlin

Es gibt Träume, die sind so mächtig, dass sie sogar ihre Erfüllung überleben. Der Berliner Traum, Hauptstadt zu sein, ist so einer. 1999 hat er sich mit dem Umzug von Bundestag und Bundesregierung erfüllt. Nicht erfüllt haben sich die damit verbundenen Heilserwartungen: Wie auch? Quasi über Nacht sollte es plötzlich wieder eine gesunde Wirtschaft geben, ein durch Weltkrieg und Mauer vernichtetes Bürgertum sollte wiederauferstehen und Berlin noch vierzig Jahre Entwicklung nachholen, die ihm London oder Paris voraushaben.

KOMMENTARVON ROBIN ALEXANDER

Daraus konnte natürlich nichts werden. Trotzdem geistern solche Fantasien weiter durchs politische Berlin: Öffentliche Verschuldung, überbesetzter Beamtenapparat, irrationale Wohnungsbauförderung – kein Übel gibt es in dieser Stadt, das nicht irgendwann mal auch damit begründet wurde, diese Kapazitäten würden in der bald boomenden Hauptstadt gebraucht. Folgende Gleichung bewährt sich im politischen Alltag: Je lauter das Hauptstadtgeschrei, desto realitätsverschlossener der Schreihals.

Hier gibt es allerdings Fortschritt zu vermelden: Anders als die hauptstadtverliebten Eberhard Diepgen oder Gregor Gysi ist Klaus Wowereit, dem in der Stadt der Träumer ausgerechnet mangelnde Visionen vorgeworfen werden, auch in Sachen Hauptstadt notorisch skeptisch. Mit Recht: Nicht zufällig nimmt sich der Bundespräsident des leidigen Berlin-Themas erst zum Ende seiner Amtszeit an. Wie die Mehrheit der Deutschen hegt auch ihr Staatsoberhaupt den nicht unbegründeten Verdacht, Berlin werde eher über- als untersubventioniert. Eine Reform des Länderfinanzausgleichs dürfte kaum zu Gunsten Berlins ausfallen. Und Subventionen für Opern und Polizisten verändern nicht das Gesicht dieser Stadt.