Kein Heimsieg für den Hölli

Der Österreicher Martin Höllwarth begeistert das Publikum in Innsbruck beim dritten Springen der Vierschanzentournee nur im ersten Durchgang. Es gewinnt Peter Zonta, Sigurd Pettersen führt weiter

AUS INNSBRUCKKATHRIN ZEILMANN

Man muss zwei Geschichten erzählen, wenn man über Martin Höllwarth schreiben will. Da ist die Geschichte des Sportlers Höllwarth: drei olympische Silbermedaillen, einmal Bronze, einige WM-Medaillen, im Weltcup meistens mit vorn und bei der diesjährigen Vierschanzentournee vor dem letzten Springen morgen in Bischofshofen Zweiter in der Gesamtwertung.

Beim dritten Wettkampf gestern in Innsbruck begeisterte der Österreicher seine Landsleute zunächst mit einem Sprung von 131,5 m, dem besten des ersten Durchgangs. In der zweiten Runde landete er jedoch nur bei 117,5 m und wurde lediglich Fünfter. Es gewann der Slowene Peter Zonta, der Norweger Sigurd Pettersen, Sieger der ersten beiden Springen in Oberstdorf und Garmisch, musste diesmal mit dem 4. Rang vorlieb nehmen, führt aber weiter vor Höllwarth und Zonta in der Gesamtwertung. Bester deutscher Springer war gestern Sven Hannawald als Neunter.

Die Geschichte des Menschen Martin Höllwarth wird immer geprägt sein von jenem Sonntagabend im Februar des Jahres 2001. Weltcup in Willingen: Anstrengende Tage, viele tausend Zuschauer, Nerven zehrende Wettkämpfe. Am Sonntag wollen sie alle nur möglichst schnell nach Hause, um sich auszuruhen. Auch Höllwarth sehnt sich ins heimische Tirol. Er fährt den Wagen, sein Trainer Alois Lipburger nimmt auf dem Beifahrersitz Platz, hinten sitzt Andreas Widhölzl. Bei Füssen im Allgäu ist die Straße an diesem späten Abend glatt, das Auto kommt von der Fahrbahn ab, überschlägt sich und prallt gegen eine Baumgruppe. Höllwarth und Widhölzl sind nur leicht verletzt, doch Lipburger stirbt noch an der Unfallstelle. Gegen Höllwarth wird Strafbefehl wegen fahrlässiger Tötung erlassen, er wird zu einer Geldstrafe verurteilt.

Wenige Wochen später bei der WM in Lahti holt das österreichische Team mit Höllwarth Gold auf der Normalschanze. Während Sportdirektor Toni Innauer ergriffen meint: „Ich weiß, für wen Hölli diese Medaille gewonnen hat“, verbietet sich Höllwarth Fragen nach dem Unfall und dem Tod des Trainers. Er will das Geschehene mittels des Sports verarbeiten, er trainiert so verbissen wie kaum zuvor. Im Sommer 2001 sagt er: „Die Erinnerung kehrt immer wieder. Manchmal denke ich überhaupt nicht mehr daran, ein anderes Mal wieder bekomme ich alles lange nicht aus dem Kopf.“

Höllwarth, so sagen seine Teamkameraden, ist ernster geworden. Nur noch zwei Dinge seien für ihn wichtig: das Skispringen und seine Familie. Dass er den Silvesterabend nicht in Garmisch-Partenkirchen, sondern bei Frau Alexandra und Sohn Nico verbringt, und auch sonst jeden Ruhetag der Tournee zur Familie fährt, erzählt er mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht.

Wenn man sich wieder dem Sport zuwendet, so zeigt ein Blick in die Statistik, dass Höllwarth einer der wenigen Springer ist, die sich über lange Jahre hinweg in der Weltspitze behaupten konnten. Schon 1992 bei Olympia in Albertville gewann er als damals 17-Jähriger dreimal Silber, es folgten diverse weitere Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Winterspielen. Im Weltcup ist er einer der Beständigsten, gewann zum Beispiel im vergangenen Winter alle zwei Weltcup-Wettbewerbe in Titisee-Neustadt.

Jetzt, mit 29 Jahren, träumt er vom Tournee-Sieg. Zweiter war er schon einmal in der Saison 1991/92. Doch in diesem Winter lief es bei der Tournee zunächst nicht ganz so reibungslos wie erhofft: Der Norweger Sigurd Pettersen dominierte, Konkurrenz erwuchs Höllwarth im eigenen Team in Gestalt des jungen Thomas Morgenstern und aus dem deutschen Lager mit Georg Späth und Michael Uhrmann. Zudem fühlte er sich in Garmisch-Partenkirchen ungerecht von den Punktrichtern behandelt: „Mir ist der Sieg gestohlen worden. Pettersen bekam beim ersten Sprung zu viele Punkte, obwohl er keinen Telemark zeigte“, erzürnte sich der Tiroler ob seines zweiten Platzes.

Er merkt, dass er im Herbst seiner Laufbahn angelangt ist. Die jungen, forschen Springer in den Reihen der österreichischen Mannschaft drängen ins Weltcup-Team, doch noch überzeugt er mit Leistungen, die besser sind als die der Nachwuchstalente. „Bei Höllwarth beeindruckt mich seine Konstanz. Dass er gut springen kann, ist bekannt. Doch dass es jetzt über mehrere Konkurrenzen hinweg funktioniert, ist neu bei ihm“, sagt Innauer. Der so Gelobte erklärt: „Ich bin mental besser vorbereitet als früher, will nicht mehr die Welt zerreißen und schieße nicht über das Ziel hinaus.“

Das ist die Geschichte des Martin Höllwarth. Dem sportlichen Teil wäre vielleicht morgen noch ein erfolgreiches Abschneiden bei der 52. Vierschanzentournee hinzuzufügen, selbst wenn es wieder nur der zweite Rang sein sollte.