Rau ist kein Kreuz- und Kuttengegner

Der Protestant will gleiches Recht für alle Religionen, Katholik Thierse allein das Polit-Symbol Kopftuch verbieten

BERLIN taz ■ Bundespräsident Johannes Rau fühlt sich missverstanden. Er habe keineswegs für oder gegen ein Kopftuchverbot votiert, klagte er gestern in Berlin. Seine Kritiker hätten offenbar nur die Überschriften der Sonntagszeitungen gelesen. Rau hatte gefordert, der Staat müsse sämtliche Religionen gleich behandeln. Wer das Kopftuch als religiöses Zeichen an Schulen verbiete, könne „die Mönchskutte nur schwer verteidigen“, mahnte Rau mit Blick auf die bislang sieben Bundesländer, die muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuches in den Schulen gesetzlich verbieten wollen. Die Gleichsetzung von Kreuz und Kopftuch sei unzutreffend, entgegneten seine Kritiker.

So sagte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), das Kopftuch sei nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politisches Textil: „Ein Kreuz ist kein Symbol für Unterdrückung, das Kopftuch für viele muslimische Frauen schon.“ Wenn deutsche Journalistinnen aus dem Iran berichteten, trügen sie ja auch ein Kopftuch: „Könnte man dann den muslimischen Bürgerinnen unseres Landes nicht zumuten, sich an unsere Sitten und Grundüberzeugungen zu halten?“. Schließlich, so Thierse, verbiete das Grundgesetz die Benachteiligung der Frau. Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sagte, er könne im Kreuz „nicht die geringste Spur einer politischen Propaganda“ erkennen. Die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck hingegen verteidigte den Standpunkt Raus. Die Verfassung sei eindeutig: Sie sage nicht, dass nur das Christentum mit allen Zeichen und Symbolen zu Deutschland gehöre.

Überdies, führte der Bundespräsident an, hänge die christliche Zukunft des Landes nicht von solchen Äußerlichkeiten ab, sondern „allein davon, wie viele überzeugte und glaubwürdige Christen es in unserem Land gibt“. COSIMA SCHMITT

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