Die Kavallerie der Innenbehörde

Forscht Hamburgs SPD die Innenbehörde aus oder wird sie politisch verfolgt? Missbraucht der Innensenator Polizei und Staatsanwaltschaft? Zur angeblichen Spionage-Affäre zwischen SPD und Schill ein Debattenbeitrag eines Kritischen Polizisten

von THOMAS WÜPPESAHL

Es geht im Kern um die Frage, ob die Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) sich willfährig durch deren Vorgesetzte, Staatsrat Walter Wellinghausen und Innensenator Ronald Schill, gebrauchen lässt, um offene politische Rechnungen zu begleichen oder um zu zeigen, wer nun am Drücker sitzt und an den Schalthebeln der Macht herumnervt.

Zu diesem Zweck werden bescheidene Ermittlungserkenntnisse aufgebauscht, um im Zusammenspiel mit der Staatsanwaltschaft Hamburg (StA) Maßnahmen gegen – hier – Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) durchzuführen.

Diese Maßnahmen wiederum sind nicht bloß geeignet, politische Parteien öffentlich in Verruf zu bringen und deren Funktionäre zu kriminalisieren und damit die SPD öffentlich wahrnehmbar in den Ruch krimineller Mittäterschaft kommen zu lassen, sondern sie lenken von inhaltlichen politischen Debatten ab und sollen verunsichern.

Die SPD wiederum wehrt sich dagegen mit klaren Vorwürfen:

Verdacht des Verrats von Dienstgeheimnissen, gezielte Vorabinformationen aus Ermittlungsorganen oder Behördenleitung an die BILD-Zeitung, ein „empörender Vorgang, wie es ihn seit 1945 nicht mehr gegeben“ habe, so SPD-Geschäftsführer Ties Rabe, da Journalisten einiger Medien vor der SPD-Zentrale das Durchsuchungs-Team von DIE und StA bereits erwarteten.

Eine unehrliche Debatte

Sekundiert wird das Ganze vom sozialdemokratischen Junior-Partner, der GAL. Deren Sprecher fordert unter anderem, dass Senator Schill oder Staatsrat Wellinghausen selbst die Untersuchung anordnen müssten, wenn nunmehr DIE nicht von sich aus gegen sich, die StA und die eigene Behördenleitung ermittele. Das hätte im parlamentarischen Raum schon häufiger gefordert werden müssen.

Diese Debatte greift (bisher) zu kurz. Sie ist in Teilen sogar unehrlich.

DIE, Staatsschutz und andere Dienststellen der Hamburger Polizei haben gegen politisch missliebige Personen in dieser Stadt gerade in den vergangenen Jahren unter Rot-Grün die abenteuerlichsten Verfahren durchgeführt. Beispielsweise gegen den aus der Friedensgemeinde (St. Pauli Hafenstraße) gemobbten Pastor Christian Arndt, gegen den Leiter der bedeutendsten Hamburger Drogen-Einrichtung Rainer Schmidt und viele andere mehr.

Man mag zu ihm stehen wie man will, aber nicht zuletzt gegen den jetzigen Innensenator Schill wurde ein Kreuzzug vor dem Landgericht bis hin zum Bundesgerichtshof inszeniert, der ihn übrigens mit auf die für die gesamte Geschichte der Bundesrepublik einmaligen fast 20 Prozent Wählerstimmen im September 2001 für eine neu antretende Partei zu einem Landtag spülte. Ein häufiger festzustellendes Phänomen, dass die politisch eingesetzte bzw. agierende Strafjustiz die „Zielperson“ nicht zerbricht, sondern groß macht.

Üblich und übel

Der Einsatz des Strafrechts gegen politisch missliebige Persönlichkeiten dieser Stadt ist also normal gewesen und ist auch zur Zeit „normal“ im Sinne von üblich, auch wenn einem dabei übel werden kann.

Eine besondere Rolle spielt immer die Hamburger Staatsanwaltschaft, die nicht bloß nach der Strafprozessordnung „Herrin des Strafverfahrens“ ist, sondern die seit bestimmt zwei Jahrzehnten eigenständig Politik in dieser Stadt macht.

Die Debatte in einer unabhängigen linken Tageszeitung bringt uns wenig voran, wenn nun die fundierte, nachvollziehbare und berechtigte Kritik der Sozialdemokratie und der GAL in einem Einzelfall wiedergegeben wird und wenn nicht auch die methodischen Verwerfungen unter gerade auch sozialdemokratischer Regentschaft dabei im Blick gehalten und diskutiert werden.

Was bringt uns eine in der Opposition erfolgreich gegen den Missbrauch des Strafrechts gegen politisch unliebsame Personen agierende SPD, wenn sie in ihrer eventuell einmal wiedergewonnenen Regierungsmacht die gleichen Methoden erneut anwendet? Und was hilft die berechtigte Kritik aus der GAL – mit ihren besonderen Wurzeln u. a. im Bereich der Bürgerrechte aufgrund der einschlägigen Erfahrungen bei Versammlungen mit Polizei und StA – über den Einzelfall hinaus, wenn die GAL diesbezüglich sofort Alzheimer-Prozessen anheimfällt, sobald sie wieder mitregieren darf?

Niemand aus der Parteienlandschaft klagt erkennbar aufrichtig die Rolle einer Staatsanwaltschaft ein, die nach gesetzlichen Vorgaben eine „objektive Behörde“ darstellen soll, diese aber – vielfältigst belegt – mit Füßen tritt. Das hätte im Übrigen sofort heilsame Wirkung auf die Funktion und Arbeitsweise der Polizei als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, die verpflichtet sein sollte, sowohl be- als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Stattdessen werden aber Ermittlungsverfahren in dieser Stadt „vom Zaune gebrochen“, Verdachtsgrade wild konstruiert, Aktenaufbauten selektiv, unseriös, kriminalistisch und juristisch unsolide abgeliefert und von der StA „qualifiziert“ – entsprechend wird dieses Katz-und-Maus-Spiel wechselnd weitergehen.

Müll zusammen recyclen

Es gibt in der ganzen elenden Geschichte von Polizeiskandalen in der Bundesrepublik Deutschland praktisch keinen, der nicht auch zugleich ein Skandal der beteiligten Staatsanwaltschaften gewesen wäre. Und praktisch nie wurde die skandalöse Arbeitsweise der daran beteiligten Staatsanwaltschaften angemessen thematisiert; übrigens auch ein großes Versäumnis bei der ansonsten so verdienstvollen Aufarbeitung des letzten Hamburger Polizeiskandals durch die Bürgerschaft. Damit wollen wir Kritische Polizisten nicht von den Defiziten der Polizeiarbeit ablenken, aber was zusammen auf den Müllhaufen gehört, gehört zusammen recyclet.

Diese Debatte wünschen wir Kritische PolizistInnen uns auch für Hamburg mit seiner besonderen Geschichte von inzwischen drei großen Polizeiskandalen, bei denen jedes Mal die Hamburger Staatsanwaltschaft ungeschoren davonkam, deren Veranwortung jedoch größer war als die der Hamburger Polizei.

Wenn nicht diese Debatte mit allem Ernst – das bedeutete innerhalb der Sozialdemokratie in Hamburg auch sehr selbstkritisch und in einem kleinen Bundesland wie Hamburg zum Teil auch personenbezogen – geführt wird, wird es weitere solcher Skandale wie diesen der Durchsuchung in der SPD-Zentrale geben. Ein guter Nährboden für oppositionelle Kräfte und für weiteres Misstrauen in die Justiz, deren Ranking-Werte ohnedies im Keller sind. Aber letztlich irgendwann auch langweilig, weil alles vornehmlich daran liegt, dass diese Staatsanwaltschaft einfach nicht die gesetzliche Aufgabenbeschreibung erfüllt und die jeweilig Regierenden das ganz gut finden, mitmachen oder sogar forcieren. Und die jeweiligen Oppositionsparteien irgendwann selbst wieder dieses wichtige Instrument „führen“ möchten oder sich zu vornehm sind, den Realitäten dieses Sumpfes zu stellen.

Eine solche Veränderung hätte gleichzeitig heilsame hygienische Wirkung auf die Polizei Hamburgs.

DIE wurde und wird in den Himmel gelobt. Zu rot-grünen Zeiten nicht nur von SPD und GAL. Tatsächlich war DIE immer die „reitende Kavallerie des Staatsrats“, ob unter den sozialdemokratischen Staatsräten Dirk Reimers und Wolfgang Prill oder jetzt unter dem ehemaligen Sozialdemokraten Wellinghausen. Gleichzeitig wird bei DIE auch bloß mit Wasser gekocht, und die Fehlschläge, kriminalistischen Katastrophen und am kurzen Gängelband der Politik gemeinsam mit der StA erlittenen Niederlagen sind erheblich. Wie krass all dies ist, können Außenstehende nur gelegentlich wahrnehmen.

So wurde vor kurzem, nach dem dritten Todesschuss aus einer Hamburger Polizei-Pistole gegen einen Bürger innerhalb von wenigen Monaten, die Zuständigkeit für die Ermittlung bei Todesfällen durch Polizeibeamte von der Mordkommission zur DIE verlegt. Der Staatsrat macht es möglich, nachdem sich der Innensenator nicht mehr sicher war, dass die Mordkommission in seinem Sinne loyal handelt. Einmalig für die Bundesrepublik und es läßt Schlimmstes ahnen.

Abhängige Polizei

DIE liefert für die Bereiche anderer Behörden als der Innenbehörde brauchbare Ergebnisse ab. Für das Haus Polizei jedoch bleiben die Ergebnisse fast durchgängig unter Niveau. Aber genau für diesen Bereich wurde DIE vornehmlich installiert und bewusst zeitlich vor dem Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses PUA Polizeiskandal, damit eine solche Sonder-Polizei irgendwie bei der Innenbehörde bleibt.

Nach wie vor gilt, dass wir eine unabhängige Polizeieinheit brauchen (wir haben sie mit DIE nicht), die woanders angebunden gehört. Fälle, in denen die StA Hamburg oder politisches Leitungspersonal aus Hamburger Behörden betroffen sind, gehören an eine benachbarte StA außerhalb Hamburgs abgegeben. Das gilt auch umgekehrt, wenn dortige Strafermittlungsverfahren Personen betreffen, die dortige Ermittlungsbehörden befangen machen können.

Es bliebe dann immer noch die Gefahr, dass Tauschgeschäfte zwischen den Staatsanwaltschaften, den beteiligten Justizressorts und gelegentlich den beteiligten Innenministerien stattfänden. Die Objektivität der Staatsanwälte ist eine Chimäre, die Hierarchien sind zum guten Teil schärfer als bei der Polizei und die Willfährigkeit der Staatsanwälte, allesamt Beamte, zumindestens nicht geringer als bei den Polizeien.

Aber es würde schwieriger werden.