das geschäft mit der angst von RALF SOTSCHECK
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Angst ist ein fabelhaftes Verkaufsargument. Seit den Anschlägen vom 11. September und dem drohenden Irakkrieg erfreuen sich bestimmte Produkte großer Beliebtheit, vor allem in den USA und in Großbritannien. Ein Aquarienhersteller aus Florida, dessen Geschäfte nur mäßig liefen, baute Gummihandschuhe an die Frontscheibe der Aquarien an, so dass man seine Post öffnen kann, ohne sie zu berühren und sich mit Anthrax zu verseuchen. Wer genügend Geld übrig hat, kann sich zu diesem Zweck natürlich auch einen Roboter anschaffen, der die Post erledigt. Ärmere Leute müssen sich hingegen mit einem simplen Test begnügen: Man kratzt mit seinem Fingernagel an der Post und taucht ihn dann in eine bestimmte Flüssigkeit. Färbt er sich nach 48 Stunden rot, ist der Augenblick gekommen, sein Testament zu machen.

Ein Biobunker für 2.000 Dollar gehört ebenfalls in jeden Haushalt. So kann eine Familie im Falle eines Terrorangriffs mit biologischen Waffen wochenlang überleben – falls sich die Familienmitglieder nicht gegenseitig umbringen, wenn sie tagelang in dem zeltartigen Gebilde von der Größe eines Küchentischs zusammengepfercht sind. Ein dreifacher Filter soll vor jeder Art von biologischen Waffen schützen, behaupten die Hersteller, die den Plastikbunker aber bisher nicht auf seine Tauglichkeit getestet haben. Der Filter wird elektrisch betrieben, was seinen Nutzen bei einem Stromausfall erheblich einschränkt. Außerdem dauert es eine Stunde, das Ding aufzubauen. Die Firma räumt ein, dass der Biobunker am besten funktioniert, wenn es eine Vorwarnung eines terroristischen Angriffs gibt. Aber werden sich die Terroristen an die Gebrauchsanweisung für den Bunker halten und rechtzeitig Bescheid sagen?

Die Angriffe vom 11. September deuten nicht darauf hin. John Rivers von der Firma Executivechute ärgert sich noch heute, dass er sein Produkt – einen leichtgewichtigen Fallschirm für 795 Dollar – nicht vor der Attacke auf das World Trade Center auf den Markt gebracht hat. Seitdem brummt das Geschäft aber. Vor allem Menschen, die hoch hinaus wollen, leisten sich die Anschaffung. Geschäftsleute zum Beispiel, die im 60. Stock arbeiten. „Stell die vor, du arbeitest im 60. Stock“, heißt es in der Werbung für den Executivechute. „Draußen gibt es Lärm, du öffnest die Bürotür und siehst Rauch.“ Tja, dumm gelaufen für diejenigen, die keinen Executivechute haben. Du aber schnallst dir das Ding wie einen Schulranzen um und springst aus dem Fenster. Der Nachteil: Der Fallschirm hat keinen Steuerungsmechanismus, und so wird der Fallschirmspringer vermutlich ein paar Stockwerke tiefer vom Feuer wieder in das Gebäude hineingesogen.

Genaues weiß man aber nicht, da sich bisher noch kein Freiwilliger fand, der das Produkt testen wollte. John Rivers, der Firmenchef aus Michigan, sagte, er würde den Fallschirm selbst ausprobieren, aber er leide unter Höhenangst. „Wenn unsere Bemühungen auch nur ein Menschenleben retten“, sagt er, „war es das wert.“ Außer für alle anderen, die dem Executivechute vertraut haben.