Ein wegweisendes Gesetz

Seit zwei Jahren können prügelnde Männer in Bremen der Wohnung verwiesen werden. Die Frauenhäuser sind seitdem aber nicht weniger voll. Beratungsstellen äußern Kritik am Amt für soziale Dienste: Frauen brauchen begleitende Hilfen

Bremen taz ■ Fast 200 Mal wurden in den vergangenen zwei Jahren prügelnde Ehegatten oder Lebensgefährten in Bremen und Bremerhaven der gemeinsamen Wohnung mit ihrer Partnerin verwiesen – im Schnitt acht Mal pro Woche. Möglich wurde dies durch ein seit Oktober vorletzten Jahres im Bremer Polizeigesetz verankerten „Wegweisungsrecht“. In seiner heutigen Sitzung zieht der Senat eine Bilanz dieser letzten beiden Jahre.

In der Regel mussten die Männer zehn Tage lang Abstand halten. Nur selten, so der schriftliche Zwischenbericht des Innensenators, hätten die Gewalttäter das von der Polizei verhängte Rückkehrverbot durchbrochen – allerdings beantragten 59 der Opfer zivilrechtlichen Schutz vor Gewalt oder Nachstellungen.

Die Bremer Gleichstellungsbeauftragte Ulrike Hauffe, mit der die Bilanz abgestimmt wurde, lobt insbesondere die Arbeit der Polizei im Zusammenhang mit dem Gesetz: „Die Bremer Polizei ist hoch identifiziert mit dem Thema“, so ihre Beobachtung. „Sowohl der jetzige Polizeipräsident Eckard Mordhorst als auch sein Vorgänger haben eine ganz klare Haltung zu dieser Frage. Und das wirkt sich für die Frauen positiv aus.“

Lob für die Polizei auch aus dem Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt. „Die Beamten informieren die Frauen offenbar sehr zuverlässig über das Beratungsangebot in unserem Haus oder bei anderen Stellen“, so die Leiterin des Hauses, Maria Schnackenburg. Mit dem Lob nach der einen Seite verbindet sich allerdings auch Kritik an einer anderen: „Noch keine einzige Frau wurde vom Amt für Soziale Dienste an uns verwiesen“, wundert sie sich. Dabei ist das Amt sozusagen als Schnittstelle zwischen der polizeilichen Maßnahme des Hausverbots und der dringend nötigen begleitenden Beratung gedacht. Innerhalb von 48 Stunden, nachdem die Polizei in einem Fall häuslicher Gewalt aktiv geworden ist, soll sich eine Mitarbeiterin des Sozialamtes bei dem Opfer melden – und über weitere Möglichkeiten, die Lage nachhaltig zu verbessern, informieren. Auch der im Zuge der neuen gesetzlichen Möglichkeiten entstandene Verein „Neue Wege“, der sowohl Opfer als auch Täter berät, beklagt sich über die schlechte Kooperation mit dem Amt: „Auch bei uns ist noch keine einzige Frau über diese Schnittstelle in unsre Beratung gekommen“, so die Psychologin Elke Baumann vom Vorstand des Vereins. Allerdings habe es inzwischen Gespräche mit der Behörde gegeben, die „sehr positiv verlaufen“ seien. Man hoffe also auf Besserung.

Denn, so der einhellige Kommentar von der Problematik berührter Institutionen: Das Gesetz ist zwar gut, es war „überfällig“, es demonstriert den Männern – von denen die Gewalt in aller Regel ausgeht – dass sie es sind, die an ihrem Verhalten etwas ändern müssen. Aber das Gesetz selbst erzeugt keine solche Änderung. Psychologin Baumann: „Der Eskalation geht meist eine langjährige Entwicklung voraus, die man in zehn Tagen nicht aufbrechen kann.“ Dass das Amt die bestehenden Angebote nicht nutzt, um den Frauen weiterreichende Hilfe zu ermöglichen, findet sie daher „ärgerlich“.

Während die schriftliche Senats-Bilanz auf diese Problematik nicht eingeht, erhellt sie einen anderen Zusammenhang: Trotz der neuen gesetzlichen Möglichkeiten ist in den bremischen Frauenhäusern nicht weniger los als vorher. „Unsre Frauen sind anders gestrickt“, sagt etwa die Leiterin des AWO-Hauses. „Wenn man durch die individuelle Unterdrückungsgeschichte ganz klein und gedemütigt ist, dann fehlt für die Wegweisung des Partners die Stabilität“, merkt sie an. Insofern sei die Wegweisung eine sehr zu begrüßende, aber eben nur eine Möglichkeit für Frauen, der häuslichen Gewalt zu entkommen.

Elke Heyduck