Juwel für Olympia

Aljona Sawtschenko soll 2006 in Turin für die DEU laufen. Davor musss sie allerdings eingebürgert werden

BERLIN taz ■ Die Eingeweihten wussten vom ersten Moment an Bescheid. Als die frühere Meistertrainerin Jutta Müller, 75, in der Chemnitzer Eishalle die Paarläuferin Aljona Sawtschenko, 19, aus Kiew zum ersten Mal beim Training mit Robin Szolkowy sah, meinte sie knapp, aber vielsagend: „Sieht man gleich: alte russische Schule.“ Viel größere Komplimente gibt es im Eiskunstlauf nicht, es bedeutet, dass da jemand sein Fußwerk stilsicher und mit überragender Technik beherrscht.

Welches Juwel der Deutschen Eislauf-Union (DEU) ins Körbchen gelegt wurde, wissen spätestes seit dem vergangenen Wochenende auch jene, die weniger fachkundig sind als Jutta Müller. Nach nur sechs Monaten des gemeinsamen Trainings gewannen Sawtschenko/Szolkowy in Berlin den deutschen Meistertitel mit der Grazie und der Harmonie eines Paares, das sich seit Jahren kennt. Das ist mehr als ein Hoffnungsschimmer für den deutschen Eiskunstlauf – es ist ein Wetterleuchten von lange nicht mehr erlebter Intensität. Und prinzipiell muss sich auch niemand daran stören, dass es eine Partnerin aus dem Ausland ist, die den Sachsen Szolkowy nun auf dem Eis glücklich macht – aus unterschiedlichen Nationen zusammengefügte Paare sind auf der internationalen Bühne keine Seltenheit.

Aber bei aller Begeisterung und aller Vorfreude auf den nächsten Winter, wenn das neue Paar für die DEU bei Welt- und Europameisterschaften startberechtigt sein wird – es könnte auf der Ebene der Bürokratie bis dahin mal wieder eine knifflige Geschichte werden. Um bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin starten zu können, müsste Sawtschenko bereits bei der EM 2005 deutsche Staatsbürgerin sein, gleiches trifft auf die Dänin Mikkeline Kierkgaard zu, die mit dem Berliner Norman Jeschke Vierte bei den Meisterschaften wurde. DEU-Vorstandsmitglied Volker Waldeck sagt, Eile sei geboten und für beide Läuferinnen sei der Prozess der Einbürgerung deshalb bereits eingeleitet. Für Aljona Sawtschenko geht es nun abseits des Eises darum, möglichst schnell Deutsch zu lernen, um die Prüfung bei der Einwanderungsbehörde zu bestehen.

Für die DEU stellt sich derweil die drängende Frage, wer sich in Zukunft am Stützpunkt Chemnitz um die neuen Meister und um die beiden anderen Paare, Fitze/Rex und Nönnig/Bleyer, kümmern wird. Während der deutschen Meisterschaften in Berlin gab es erste Rauchzeichen, dass der frühere Paarlauf-Weltmeister Ingo Steuer seinen angekündigten Rückzug wegen Arbeitsüberlastung vielleicht überdenken wird.

Steuer wollte sich zu diesem Thema auch nach dem Ende der Meisterschaften zwar nicht äußern, der Kommentar des DEU-Präsidenten Reinhard Mirmseker aber lässt Bewegung erahnen. Es gebe Situationen, so Mirmseker, die sich vier bis fünf Wochen vorher anders darstellten als acht Wochen später. „Wir befinden uns in einer Phase, in der man bestimmte Sachen nicht öffentlich machen sollte.“

Die Herren sind im Gespräch, und Mirmseker versichert, man werde alles tun, um den Athleten passende Bedingungen zu bieten. Die Unterstützung der Paare – bisher waren es vier, in Berlin kam das junge Dortmunder Paar Handke/Wende dazu – wird aus einem speziellen Förderungstopf der Deutschen Sporthilfe finanziert, eingedenk der Erkenntnis, dass der Paarlauf den deutschen Eiskunstläufern die größte Chance bietet im internationalen Wettbewerb. Mirmseker legt Wert auf die Feststellung: „Der Stützpunkt Chemnitz ist äußerst wichtig für uns. In unserer Verantwortung liegt es, dass die Läufer dort optimal trainiert werden – von wem auch immer.“

DORIS HENKEL