ISRAEL: DIE SCHINUI-PARTEI MACHT DIE SCHARON-REGIERUNG NICHT LIBERALER
: Politik gegen den Orient

Schinui, so heißt die neue Partei, die Ariel Scharons Regierung auf den goldenen Mittelweg lenken soll. Entscheidend ist: Ihre politische Agenda ist auf innenpolitische Probleme konzentriert und nicht auf eine friedliche Zukunft mit Israels Nachbarn. Die Schinui will eine Entmachtung des religiösen Establishments und eine Verweltlichung des Judenstaats. Das sind zweifellos lobenswerte Ziele, gäbe es nicht dringlichere Probleme.

Die schnelle und offenbar problemlose Einigung der laizistischen Schinui mit den National-Religiösen mag zunächst überraschen. Das alte Prinzip: Der Feind meines Feindes ist mein Freund, mag Aufschluss über die Motive zur Allianz geben. Sowohl die Liste Lapids als auch die des national-religiösen Effi Eitam sind aschkenasische Parteien. Die Mitglieder beider Parteien haben ihre Wurzeln in Europa, halten also europäische Werte und zionistischen Idealismus hoch, im Gegensatz zur orientalisch-orthodoxen Schass, die nun zum ersten Mal seit ihrer Gründung in die Opposition gezwungen wird. Während sich Effi Eitam schon als künftiger Führer eines vereinten national-religiösen Lagers zu wähnen scheint, bangt Tommi Lapid umgekehrt vor kommenden Wahlen.

Mit seinen fünfzehn Mandaten konnte er die bisherige Knessetrepräsentanz der Schinui mehr als verdoppeln. Ein Erfolg, der allein der derzeitigen Frustration der israelischen Bürger über die großen Parteien zuzuschreiben ist. Um diese eine Chance nicht zu versäumen, ist er zu Kompromissen bereit, die die Raison d’être der eigenen Partei in Frage stellen.

Scharon kann mit Hilfe der Schinui die rechts-extremistischen Parteien umgehen und hat gleichzeitig Ersatz für das bisherige Feigenblatt seiner kompromisslosen Politik, die Arbeitspartei. Mit Tommi Lapid in der Regierung steigen seine Chancen auf die dringend erwarteten Kredite aus Washington. Die „Partei der Mitte“, wie sich die Schinui selbst bezeichnet, wird helfen, die internationale Sorge vor einer rechts-nationalistischen Regierung in Jerusalem zu zerstreuen. Zumindest so lange, bis die Welt versteht, dass Lapid die Palästinenser nicht minder verachtet als die Orientalen mit der Kipa. SUSANNE KNAUL