Wenn‘s im Wahlkampf zweimal klingelt

US-Präsidentschaftskandidat McCain setzt auf „Robocalls“, bei denen Automaten Wähler mit telefonischen Werbesprüchen bombardieren. Das Obama-Team geht mit Hightech vor: Es hat eine eigene Anwendung für Apples iPhone entwickelt

Die republikanische Kandidatin für das US-Vizepräsidentenamt, Sarah Palin, soll noch diese Woche zum zweiten Mal zum Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit einer Entlassung befragt werden. Die Gouverneurin von Alaska werde am Freitag vor der Personalkommission des Bundesstaats aussagen, sagte ein Sprecher des Wahlkampfteams von Präsidentschaftskandidat John McCain, Taylor Griffin, am Mittwoch. Die Personalkommission soll der Frage nachgehen, ob Palin mit der Entlassung des Sicherheitschefs von Alaska, Walt Monegan, im Juli die ethischen Standards verletzt habe. AFP

VON BEN SCHWAN

Wenn derzeit in den sogenannten Battleground States, also den US-Bundesstaaten, in denen die Wahlentscheidung zugunsten des Demokraten Barack Obama oder des Republikaners John McCain noch weitgehend offen scheint, das Telefon klingelt, könnte es sein, dass ein Automat am anderen Ende der Leitung ist. Das McCain-Wahlkampfteam hat Abertausende sogenannter Robocalls bestellt, Roboteranrufe, bei denen Computer die Wähler zu Hause anwählen und ihnen dann eine automatisierte Werbebotschaft übermitteln, ganz egal, ob der Bürger direkt an die Leitung geht oder ein Anrufbeantworter abhebt. Derzeit besonders beliebt ist die Aussage, Obama habe Kontakt mit dem „einheimischen Terroristen“ William Ayers gehabt, einem Achtundsechziger, dessen radikallinke Gruppierung in den Sechzigern und Siebzigern Bombenanschläge auf US-Regierungsgebäude geplant haben soll, als der Demokrat noch ein Kind war.

Die Obama-Kampagne antwortet auf die Schmutzkampagne im Internet auf einer Website namens „Fight the smears“ (Gegen den Dreck) und in Wahlwerbespots, geht dabei aber insgesamt bedeutend cleverer vor als das im Abschwung befindliche McCain-Lager. So knackt Obama vor allem dank seines smarten Netzteams einen Spendenrekord nach dem anderen.

Der neueste technische Schrei, den die Kampagne für sich entdeckt hat, ist Apples „Wunderhandy“ iPhone. Mit einer Spezialsoftware können Fans des demokratischen Präsidentschaftskandidaten ihre Freunde anrufen und zum Wählen motivieren. Das kostenlose Werkzeug mit dem schlichten Namen „Obama ’08“ wird als „offizielle globale Verbindung ins Herz der Kampagne von Barack Obama und seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Joe Biden“ beworben und soll aus jedem Obama-Fan eine Ein-Personen-Wahlkampfmaschine machen. Neben Zugriff auf die offiziellen Werbematerialien des Demokraten und Argumentversatzstücke („Talking Points“) wird der Benutzer über Kampagnenereignisse auf örtlicher und landesweiter Ebene auf dem Laufenden gehalten. Videos und Fotos der Wahlkampftour ergänzen das Angebot, außerdem meldet sich die Kampagne regelmäßig per Textbotschaft, um den Nutzer zu motivieren. Wichtigster Punkt ist aber die Funktion „Freunde anrufen“ – ähnlich wie McCains Robocalls soll der Obama-Fan damit die letzten Unentschiedenen in seinem Umfeld motivieren, an der richtigen Stelle das Kreuzchen zu machen. Dazu besitzt „Obama ’08“ die praktische Funktion, gleich auf das im iPhone eingebaute Telefonbuch zugreifen zu können. Die Kontakte sind außerdem nach Battleground States gruppiert, damit die für den Wahlausgang wichtigsten Freunde als Erstes angeklingelt werden können. Motivierend sollen außerdem Statistiken wirken, die dem „Obama ’08“-Benutzer mitteilen, wie viele Anrufe andere iPhone-Wahlkämpfer bereits abgesetzt haben und wie viele gerade in diesem Moment abstimmungsentscheidend zu wirken versuchen.

Es ist unwahrscheinlich, dass eine Anwendung wie „Obama ’08“ auch in Deutschland zulässig wäre – schon die Nutzung der Telefonbücher im iPhone dürfte hiesige Datenschützer schwindelig machen. Die bislang modernste Wahlwerbeform waren SMS und E-Mails, doch hier hatten mehrere Parteien im vergangenen Bundestagswahlkampf schwer an Spamvorwürfen zu leiden, so dass selten ungefragt geworben wird. Auch fehlen entsprechende Datenbestände.

Aber auch die moderne Obama-Kampagne ist nicht immer unschlagbar. Die erste Version von „Obama ’08“ wies einen Fehler in der Statistik auf, laut der plötzlich der Topanrufer alle 12 Sekunden einen Anruf hätte platzieren müssen, was natürlich kein Mensch konnte. Einen Tag später hatten die Obama-Leute das Problem gelöst.