Kroatiens Regierung nimmt Kurs auf Brüssel

Zagreb stellt Antrag auf Aufnahme in die EU. Deren Pläne einer „Balkan-Paketlösung“ könnten den Prozess verzögern

SPLIT taz ■ Überraschend schnell hat Kroatien die Aufnahme des Landes in die Europäische Union (EU) beantragt. Ministerpräsident Ivica Racan übergab dem griechischen amtierenden EU-Ratspräsidenten Kostas Simitis am Freitag in Athen den Antrag auf Gespräche über den Beitritt. Mit Kroatien rückt nach Slowenien der zweite Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien näher an die EU. Während aber die Aufnahme Sloweniens beschlossen ist und 2004 erfolgen wird, stehen der Aufnahme Kroatiens einige Hürden entgegen.

Zwar begrüßte Kommissionspräsident Romano Prodi den Antrag und forderte Kroatien zu Reformen auf, um die politischen Standards der EU zu erreichen. Und er erklärte, „erst wenn die Balkanländer Mitglieder sind, kann die Erweiterung der Union als vollendet angesehen werden“. Doch sein Hinweis auf die anderen Balkanländer stellt eine der Hypotheken für den Beitritt Kroatiens dar. Denn es gibt starke Strömungen in der EU, die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, so Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und auch die Föderation aus Serbien und Montenegro sowie Albanien als ein „Paket“ anzusehen. Weiter sollten nach diesen Vorstellungen die Anrainerstaaten Rumänien und Bulgarien gemeinsam mit den südslawischen Staaten näher an die EU geführt werden, wenngleich beide Länder hoffen, 2007 aufgenommen zu werden.

Die EU hat im Rahmen dieser Politik schon Weichen gestellt. So drängte die EU Serbien und Montenegro, einen Staatenbund zu bilden, der das Kosovo einschließt. Zudem soll der gesamte Raum eine zollfreie Zone bilden. Solche Pläne der EU stoßen auf den erbitterten Widerstand der kroatischen Führung. Bei den Wahlen 2000 siegte ein proeuropäisches Parteienbündnis unter Führung der Sozialdemokraten. Gleichzeitig gewann damals der für den Eintritt in die EU werbende Politiker Stipe Mesić bei den Präsidentenwahlen mit dem Argument, die Staaten Südosteuropas sollten mit „eigenen Geschwindigkeiten“ die Annäherung an die EU suchen. Kroatien werde die geforderten Standards einführen und könne nicht auf die „langsameren“ südlicheren Staaten warten.

Nach Meinung des Pressesprechers der EU in Sarajevo, Frane Maruvić, hat die kroatische Regierung in den letzten Jahren in der Tat gravierende Reformen durchgeführt. Viele der Bedingungen der EU seien schon jetzt erfüllt. Defizite, so erklären andere Diplomaten, seien aber bei der Frage der Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher und der Kontrolle der Grenzen zu erkennen. So sei die Grenze mit Bosnien und Herzegowina nach wie vor durchlässig. Auch würden mit einem Beitritt Kroatiens zur EU Bosnien und Herzegowina weiter ins Hintertreffen geraten, weil die serbische Teilrepublik in Bosnien alle geforderten Reformen blockiere. Bisher können Bosnier visumfrei nach Kroatien reisen. Racan und Mesić betonen demgegenüber, Kroatiens Anstrengungen in bezug auf die Entwicklung eines Rechtsstaats und der Marktwirtschaft müssten belohnt werden. Ohnehin sei Kroatien geschichtlich Teil Mitteleuropas. ERICH RATHFELDER

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