Finanzminister ohne „Geheimplan“

Beim G-7-Treffen in Paris zeigt man sich „vorbereitet“, ohne über Kriegsszenarien zu spekulieren. Entgegen dem US-Konjunkturprogramm halten EU-Finanzminister am Stabilitätspakt fest. Europäische Zentralbank denkt über Zinssenkung nach

aus Paris DOROTHEA HAHN

Immer daran denken, nie davon reden. Nach diesem Motto behandelten die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben reichsten Industriestaaten sowie die Chefs von Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) das Thema Irakkrieg bei einem zweitägigen Treffen in Paris. Ihre am Wochenende veröffentlichte Erklärung über die Perspektiven der Weltwirtschaft ist gespickt mit nebulösen Formulierungen über „zunehmende geopolitische Unsicherheiten“, auf die die G-7-Staaten freilich „vorbereitet“ seien und angesichts derer sie „gemeinsam“ und „angemessen reagieren“ könnten. Schließlich versteht die G-7-Gruppe ihre Aufgabe darin, Vertrauen zu stiften und „die Märkte“ zu beruhigen, trotz des verringerten Wirtschaftswachstums, das schon vor dem 11. September lahmte.

Einen „Geheimplan“ (für den Fall eines Krieges, d. Red.) gebe es nicht, behauptete der Gastgeber und französische Finanzminister Francis Mer am Samstag in Paris. Er versicherte zugleich, Schwierigkeiten bei der Erdölversorgung seien keinesfalls zu befürchten. Es gäbe schließlich genügend Vorräte weltweit. Sein deutscher Kollege Hans Eichel ließ durchblicken, dass die G-7-Finanzminister sich im Fall eines Krieges sehr schnell erneut treffen würden, und nannte es „nicht sinnvoll“, jetzt „darüber zu philosophieren, was wir konkret tun werden“. Der britische Notenbankchef Eddie George freilich machte deutlich, dass die Irak-Frage weite Teile der Debatten in Paris bestimmt hat und dass zahlreiche Szenarien durchgespielt wurden. Wie die britische und die US-amerikanische Regierung ist George der Ansicht, eine „schnelle Regelung“ – also Krieg – wäre das Beste.

Der Anfang Februar angetretene neue US-amerikanische Finanzminister John Snow musste bei seinem ersten Treffen mit seinen europäsichen Kollegen das knapp 700 Milliarden Dollar schwere Paket von Steuersenkungen und anderen staatlichen Maßnahmen verteidigen, mit dem seine Regierung den Krieg vorbereiten und die US-Wirtschaft ankurbeln will. Snow tat dies mit dem Hinweis, was gut für die US-Wirtschaft sei, wäre auch gut für den Rest der Welt.

Im Kreise der EU-Finanzminister ist das US-Wirtschaftsprogramm, das der europäischen Senkung der Haushaltsdefizite widerspricht, umstritten. Mehrere europäische Finanziminister beteuerten, sie wollten an ihrem Stabilitätspakt festhalten, der eine maximale Haushaltsverschuldung von 3 Prozent vorsieht. Wohlwissend, dass sie dazu zumindest in diesem Jahr nicht in der Lage sein werden. Auch Eichel vertrat diese Position, obschon sich in Paris herausstellte, dass die diesjährigen Wachstumserwartungen für die Eurozone noch weiter nach unten korrigiert werden müssen. Der IWF geht gegenwärtig von 0,7 Prozent Wirtschaftswachstum für Deutschland und 1,3 Prozent für die Eurozone für das laufende Jahr aus. Die französische Regierung schlägt schon seit längerem vor, sämtliche Militärausgaben aus dem Stabilitätspakt herauszunehmen. Damit will Paris sowohl seine Nachbarländer zu größeren Militärausgaben ermuntern als auch gleichzeitig die Haushalte in der Eurozone deutlich schönen.

Angesichts des sinkenden Wirtschaftswachstums legten die Finanzminister in Paris erneut Bekenntnisse zu einer „Flexibilisierung“ der Wirtschaftspolitik ab. Die EU-Vertreter kündigten an, sie wollten die Arbeitsmarktpolitik weiter flexibilisieren. Japan will dasselbe im Bankensektor tun. Der Chef der EZB, Wim Duisenberg, seinerseits überlegt, die europäischen Leitzinsen demnächst zu senken. Damit wird die Eurozone dem Vorbild der USA folgen.