Indisch-pakistanischer Neustart

Ermutigendes Treffen zwischen verfeindeten Nachbarn: Indiens Premierminister Vajpayee trifft doch noch Pakistans Machthaber Musharraf beim Südasien-Gipfel

BOMBAY taz ■ Am Rande des Südasiengipfels (Saarc) in Pakistans Hauptstadt Islamabad ist gestern der Gastgeber, Militärmachthaber Pervez Musharraf, mit Indiens Premier Atal Behari Vajpayee zusammengetroffen. Offiziell war es ein Höflichkeitsbesuch, wie ihn auch die anderen Staats- und Regierungschefs absolvierten. Doch angesichts des tiefen Zerwürfnisses der beiden Atomstaaten, das bisher die Regionalkooperation zu einem kümmerlichen Dasein verdammte, war das bilaterale Treffen Höhepunkt des Gipfels, auch wenn die sehr dünnen Verlautbarungen nach dem einstündigen Gespräch zeigen, dass beide wegen des großen Medienechos darauf bedacht sind, das Tempo der Annäherung zu dosieren.

Der 79-jährige Vajpayee hatte sich bei zwei vorherigen Treffen in Lahore und Agra politisch so weit aus dem Fenster gelehnt, dass er selber sagte, ein weiterer Misserfolg werde der letzte Versuch seiner Karriere sein. Doch die vertrauensbildenden Maßnahmen der letzten Monate schufen ein solches Maß an gutem Willen in beiden Länder, dass Vajpayee einem weiteren Treffen mit Musharraf nicht mehr aus dem Weg gehen wollte. Bei der Ankunft in Islamabad am Samstag traf er zuerst mit seinem pakistanischen Amtskollegen Zafarullah Dschamali zusammen. Der erwähnte Kaschmir, das sonst zum Repertoire jedes Auftritts gehört, kein einziges Mal. Vajpayee vermied die übliche Forderung nach dem Ende des „grenzüberschreitenden Terrorismus“ und rief zur „Überwindung des kolonialen Erbes gegenseitigen Misstrauens und kleinlicher Rivalitäten“ auf, die dafür verantwortlich seien, dass „die Friedensdividende diese Region nicht berührt hat“.

Die südasiatische Gemeinschaft Saarc wird diese Dividende sofort kassieren können, wenn heute lang fällige Verträge unterzeichnet werden. Im bilateralen Verhältnis steht aber noch viel Arbeit an, bevor beide Länder ihr komplexes Verhältnis bereinigen können. Die bisherigen vertrauensbildenden Gesten stellen nur den Status quo wieder her, der bis vor zwei Jahren galt. Dennoch sind die Chancen, dass Fortschritte erzielt werden, heute besser als damals. Islamabad insistiert nicht mehr auf der prioritären Lösung des Kaschmir-Streits. Es näherte sich Delhis Auffassung an, dass eine Lösung erst möglich ist, wenn sich das Verhältnis auf anderen Ebenen normalisiert hat. Beobachter erwarten, dass die Gespräche auf Beamtenebene, die Mitte der 90er-Jahre eine „Roadmap“ entwarfen, bald wieder aufgenommen werden. BERNARD IMHASLY