Stadthalle darf umgebaut werden

Das künstlerische Urheberrecht muss bei Bauwerken zurückstehen, wenn es um wirtschaftliche Interessen des Eigentümers geht, sagt das Bremer Landgericht. Stadthallen-Architekt Rainer scheitert mit seiner Klage gegen den Baubeginn Ende Januar

Bremen taz ■ Der Artikel 14 des Grundgesetzes schützt das Eigentum, auch das „geistige“. Aber was ist, wenn das Eigentum am architektonisch-künstlerischen Urheberrecht gegen das Eigentum an der Mehrzweck-Stadthalle steht? Dann muss das Gericht entscheiden. Vor dem Bremer Landgericht erschien gestern der Anwalt des Architekten Roland Rainer, der in den 50er Jahren die Stadthalle mit ihren wuchtigen Trägern entworfen hat. Der über 90-jährige Architekt war nicht persönlich erschienen, hatte aber seine Tochter und Erbin, die selbst auch Architektin ist, geschickt. Auf der Seite der „Beklagten“ saß der Geschäftsführer der Hanseatischen Veranstaltungs-Gesellschaft (HVG), Michael Göbel. Die HVG will Ende Januar den Umbau beginnen. Mit einer „einstweiligen Verfügung“ wollte der Architekt das unterbinden und sein „Baukunstwerk“ vor der Entstellung schützen.

Der renommierte Berliner Kläger-Anwalt Peter Raue argumentierte grundsätzlich: Die Grundrechte sollen die Bürger vor Willkür-Akten des Staates schützen, der Staat kann sich nicht auf ein Grundrecht berufen, insofern sei die Sache klar. Dass die Pläne zum Umbau der Stadthalle eine „Entstellung“ seien und zudem die wirtschaftliche Begründung falsch, das könnten Experten begründen, die er gleich mitgebracht hatte.

Aber Richter Jürgen Berger ließ sich durch diese Argumentation des Urheberrechts-Spezialisten nicht beirren. Er machte deutlich, dass er die verschiedenen Kommentare zum Urheberrecht studiert hatte, und danach sei eine „Interessenabwägung“ vorzunehmen. Gegen das Urheber-Interesse des Architekten stehe das wirtschaftliche Interesse derer, die die Stadthalle betreiben. Und da brauche man keine Zeugen: Wenn der Senat als demokratisch legitimiertes Gremium den Umbau „aus wirtschaftlichen Aspekten beschlossen“ habe, „ist dies zu respektieren.“ Natürlich gebe es auch „Flops“ bei den staatlichen Investitionen, meinte der Richter, Musical und der Shopping-Bereich des Space Parks könnten Beispiele sein, aber das wisse man nie vorher. Wenn Gutachter sagen: „Das kann klappen“, dann sei der Beschluss des Senats damit ausreichend begründet. Ergebnis der Abwägung also: „Bei Bauwerken ist das Interesse des Eigentümers am wirtschaftlichen Erfolg wichtiger.“ Denn, so der Richter, was hätte das für Konsequenzen, wenn man das anders sehen würde? Keine Stadtverwaltung würde einen „dominanten Bau“ in Auftrag geben, wenn es darum gehe, Zweckbauten zu errichten. Es würde nur „viereckige Kästen“ geben, für die sich die Frage der Urheberrechte nicht stelle. Das könne ja nicht gewollt sein.

Der Anwalt Raue, der auch an Universitäten über „künstlerisches Urheberrecht“ lehrt, war sichtlich überrascht von dieser klaren Sicht der Dinge. Das sei ja eine Bremer Rechtsauffassung von der Art: „Unser liebes Bremen hat eine Entscheidung getroffen und deswegen muss das richtig sein“, witzelte der aus Berlin angereiste Rechtsexperte. Artikel 14 des Grundgesetzes sei auch nicht so zu interpretieren, als stünde da: Der Staat schützt das geistige Eigentum an Baukunstwerken, „es sei denn, der Verletzer ist der Staat“. Wenn jemand im Ernst die Berliner Philharmonie entstellend umbauen wollte, damit 1.000 Besucher mehr hineinpassen, würde doch niemand das Urheberrecht des Architekten Hans Scharoun hinwegwischen mit der Begründung, immerhin habe der Berliner Senat das beschlossen. Aber das Gericht war durch solche Argumente wohl nicht zu beeindrucken. Die Entscheidung soll am 15. Januar verkündet werden. „Der Inhalt der Entscheidung wird für die Beteiligten keine Überraschung sein“, deutete der Richter an. Klaus Wolschner