berliner szenen Verwirrung am Morgen

Im Ausland

Es gibt Tage im Leben, da steht man irgendwie daneben. Wer hat das noch gesagt, das mit dem Leben und dem Daneben? Tschuldigung, aber ich habe ein wenig zu wenig geschlafen in letzter Zeit. Heute morgen bin ich außerdem außerhalb meiner Handy-Homezone aufgewacht. Das kann natürlich ganz einfach bedeuten, dass man nicht zu Hause ist. Oder, dass sich da was verschoben hat. Entweder die Homezone. Oder das Haus, aus der Homezone hinaus. Alles was ich weiß ist: Ich war zu Hause, und das Haus war zu Hause, wie ein Blick aus dem Fenster zeigte. Das gab mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Allerdings war die Zeitung nicht im Briefkasten. Und meine beiden Mitbewohnerinnen waren offenbar auch nicht da. Die Straßen draußen waren eisfrei, aber menschenleer. Der Bäcker hatte schon auf. Die Brötchenfachverkäuferin wünschte mir überschwenglich ein frohes Neues Jahr, als hätten wir uns zehn Jahre lang nicht gesehen. Und fragte dann noch: „Sie sind doch Herr Witzel, oder?“ Nein, ich sei nicht Herr Witzel, sagte ich ganz freundlich. Dann ging ich rüber zum Kiosk, die taz kaufen. Das letzte Exemplar lag mit einem Pflasterstein beschwert auf der Verkaufstheke. Ich gab dem Kioskbesitzer einen deutschen Euro und ein niederländisches Fünfzig-Cent-Stück. Der kuckte kurz auf den Kopf der Titelseite und gab mir zehn belgische Cent raus. Ich sagte: „Hey, die taz kostet doch nur 1,10!“ Der Kioskbesitzer schüttelte den Kopf und zeigte auf die Titelseite: „Nee, hier steht doch: Ausland 1,40!“ Da war es wieder, dieses flaue Gefühl im Magen. Ich formulierte irgendwas wie: „Aber wir sind doch hier nicht im Aus-, sondern im Inland, äh, oder etwa nicht?“ Der Kioskbesitzer grinste: „Du vielleicht.“

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